Lyric Book 1




GEDICHTBAND 1




DAS ZERRISSENE GESICHT







POLYNESISCHES DREIECK




HUAHINE POEM ( 1 )



GELBER SCHEIN DEN STRAND UMFLUTET,
MALT LANGE SCHATTEN IN DEN SAND,
KEIN AUGE HÄTTE JE VERMUTET -
SOLCH LICHT ZU SCHAUN IM FARBENBAND.


TRÄGE ÖLIG SCHIMMERN WELLEN,
BEVOR SIE AN DIE UFER KLOPFEN,
DIE FEUERGLUT VERGEHT IM HELLEN -
ALS PRISMEN IN DEN WASSERTROPFEN.


FAHLER MOND STEHT IN DER FERNE,
TANZT MIT DER SONNE IN DIE NACHT,
ALLE MYSTIK SUCHT DIE STERNE -
ES BLEIBT IM GEIST DIE ZAUBERPRACHT.


18 / 04. 97
IK








 HUAHINE NACHT ( 2 )



REGEN TROMMELT PALMENDÄCHER,
BRANDUNGSTOSEN TRIFFT DAS OHR,
WIND ZERSAUST GEBEUGTE BÄUME,
LANGE NACHT - WO SIND DIE TRÄUME ?


FRÖSCHE QUAKEN ROCKKONZERTE,
GRILLEN ZIRPEN DAUERTON,
VÖGEL KREISCHEN OHNE PAUSE,
LAUTE RUHE - FERN VON ZU HAUSE !


GERÄUSCHE TANZEN GEISTERFETEN,
NOTEN SETZT EIN ZAUBERER,
NATUR VERBINDET ALTE WEISEN,
RAUHES LIED - HEILENDES REISEN.


17 / 04. 97
IK








MOOREA ( 3 )



ZACKEN, SPITZ AUS FELS GEMEISSELT,
ERAHNT VON MICHELANGELO,
TORSO, DIE KEIN VORBILD HATTEN,
NATURGEBAUT IM MEISTERSCHATTEN.


INSEL, GRÜN VON WUCHS UMGÜRTET,
GETAUCHT INS LICHTERPARADIES,
BLÜTEN, DIE MEIN SINN ENTZÜCKEN,
BUNTGETUPFT ALS ECHSENRÜCKEN.


VÖGEL, GRELL MIT RUF GEWAPPNET,
LOSGELÖST VOM BLATTGEWIRR,
FLIEGER, DIE EIN STURMTIEF REITEN,
FREIGESTELLT ZUM WOLKENGLEITEN.


FISCHE, FLACH IM MEER VERSAMMELT,
ANGEHAUCHT MIT FARBENPRACHT,
DELPHINE, DIE IHR SCHUTZRIFF WISSEN,
WEGGETAUCHT VOR HAIFISCHBISSEN.


MENSCHEN, STOLZ VOM WIND BEGLEITET,
BLUMENKRANZ IM FEUERSCHEIN,
SEGLER, DIE NUR FREIHEIT SCHMECKEN,
LOSGELÖST IM WELTENSCHRECKEN.


PERLEN, SCHWARZ ZUR SCHNUR GEORDNET,
MEERESFRUCHT UND INSELKETTE,
SCHÄTZE, DIE SONST GÖTTER MALEN,
AUFGEREIHT FÜR FERNWEHQUALEN.


MOOREA, HEISS AUS LAVA AUFGETÜRMT,
FLAMMENGLUT MIT SCHAUMKORSETT,
FUNKEN, DIE DAS MEER ENTFACHEN,
STERNENKREUZ WIE HIMMELSDRACHEN.


UND SO WINDET SICH DAS REPTIL,
GELBES TIER IM FALTENROCK,
MYTHEN, DIE IHR BILD BESINGEN,
UMGESETZT AUF SEELENSCHWINGEN.


07 / 05. 97
IK








DIE VIOLETTEN RIESEN ( 4 )



DAS ABENDLICHT IST LOSGELASSEN,
UND SCHLEUDERT BLAUES FEUER,
DEN WIDERSCHEIN NUR ANZUFASSEN,
IST WUNSCHTRAUM UNGEHEUER.


VIER RIESEN STEIGEN AUS DEM MEER,
UND TÜRMEN AUF SICH LEISE,
GETARNT ALS TEIL IM WOLKENHEER,
ERWARTEN SIE DIE REISE.


SIE SCHWEBEN DRAUSSEN ÜBERM RIFF,
DIE STERBEND GLUT IM NACKEN,
UND BILDEN SEGEL FÜR DAS SCHIFF,
ZUM SCHUTZ TAHITIS ZACKEN.


12 / 06. 97
IK








ANDROMEDA



PERSEUS SCHLUG DEN KOPF VOLL SCHLANGEN,
MEDUSA AB VON IHREM RUMPF,
ABER IN PANDORAS SCHACHTEL SCHWANGEN,
WEITER BÖSE DINGE MIT IM SUMPF.


IM OLYMP ZÜRNEN DIE GÖTTER,
DENN -
KASSIOPEIA WAGT DEN SPÖTTER.
NUR BÜSSEN
MUSS ALLEIN IHR KIND,
DA DIE ALTEN UNKLUG SIND.


EINES TAGES STEHEN VOR DEN SCHERBEN,
ALLE, DIE DAS SCHICKSAL ERBEN,
WIE ANDRE ES IHN´ LIESSEN.


DOCH, WO WIRD DANN PERSEUS SEIN ?


31 / 07. 97
IK








 ALPTRAUM



SPIEGEL BLENDEN ALLE SINNE,
STECHEND STEHT EIN BLITZ IM RAUM,
DAS GEISTERSCHIFF TREIBT OHNE PINNE
AUF TOTEM FLUSS IM SCHRILLEN TRAUM.


SZENEN MARTERN MEIN GEWISSEN,
ENDLOS TANZT DER NERV ZUM RUMPF,
DIE GEDANKEN TAUMELN WILD ZERRISSEN
ALS IRRLICHT IM BEGIERDEN SUMPF.


NEBEL TRÜBEN ALLE BILDER,
FURCHTSAM SUCHT DER BLICK IM DUNST,
DER SCHATTENMANN VERDREHT DIE SCHILDER
IN PURER LUST DER STUNDE GUNST.


STIMMEN FOLTERN MEINE SEELE,
GLAUBHAFT SCHEINT ALLEIN DIE PEIN,
DIE ÄNGSTE BILDEN EINE STELE
IM FUNDAMENT DES FALSCHEN SEIN.


DÄMONEN FORDERN ALLE ZÜGEL,
SCHAUDERND KOMMT DER SPUK ZUR MACHT,
DAS GEHIRN STÜRZT ÜBER HÜGEL
ZUR WILDEN HATZ DER TEUFEL NACHT.


FRAGEN QUÄLEN MEIN ERSTAUNEN,
BEDENKLICH WANKT VERTRAUTE SICHT,
DER ORT ZERFRANST MIT LEISEM RAUNEN
AM SAUM DER ZEIT IM FAHLEN LICHT.


SCHMERZEN GEISSELN ALLE WUNDEN,
LÄUFIG SUCHT DER SCHWEISS DEN WEG,
DER PULS ZERSCHLÄGT IN WIRREN STUNDEN
ZUM SPÄTEN MOND DEN LETZTEN STEG.


21 / 05. 97
IK








 GEWITTER I



ES HÄNGT, MIR SCHEINT´S, DER HAUCH VON ZUNDER
ÜBER WIESEN WIE EIN WUNDER.

ZUM FERNEN GROLL IN DIESER STUNDE,
MACHT RUCH VON BRAND DIE BÖSE RUNDE.
SCHWÜLE BEUGT DIE GREISEN GLIEDER
ZUR SCHWEREN LAST DES ALTERS NIEDER.


HEULEND SPIELT DER TOD DIE LEIER,
GLANZ VOM BLITZ ERHELLT DIE FEIER.

IM SCHALEN LICHT BRICHT ZEIT ENTZWEI,
DER TAG IST GRAU, DIE WOLKEN BLEI.
FAUCHEND LÄSST DER STURM DEN ZWEIGEN
IN SCHAM DAS HAUPT ZU BODEN NEIGEN.


REGEN BÄUMT SICH AUF IN SCHAUERN
ALS STETER TANZ AUF NASSEN MAUERN.

IN KÜHLE MUSS DIE HITZE STERBEN,
DANN LANGSAM ENDET DAS VERDERBEN.
BRENNEND FOLGT IM STILLEN WINDE,
MIT RASCHEM BRUCH DIE TOTE LINDE.








GEWITTER II



STILLE.
DICKE TROPFEN FALLEN EINSAM
GRAUE STILLE, RISSIG LEHM


FURCHT.
FERNE DONNER GRUMMELN LEISE
ALTE ÄNGSTE, TIEFE ZWEIFEL


STAUNEN.
STERBEND BLITZE ZUCKEN GRELLE
TIEFES RAUNEN, FREIE NATUR


LAST.
DUMPFE FIEBER BRÜTEN BLEIERN
FEUCHTE HITZE, KALTER SCHWEISS


17 / 06. 97 - FÜR VRONI -
IK








 JAHRESZEITEN



VIER KINDLEIN TANZEN EINEN REIGEN,
HOCH DROBEN IN DEN DÜNNEN ZWEIGEN,
SIE DREHN SICH WILD IM SCHNELLEN KREISE,
UND JUCHZEN LAUT AUF IHRER REISE.


FRÜHLING MAG DEN DUFT VON FLIEDER,
SOMMER BRINGT DIE WÄRME WIEDER,
HERBST WIRD GOLDNE FÄDEN SPINNEN,
WINTER TRÄGT SEIN WEISSES LINNEN.


PLÖTZLICH DREHT SICH ALLES SCHNELLER,
DER SCHRILLE TON WIRD IMMER GRELLER,
VIER BLITZE LASSEN MICH NICHT ZAUDERN,
DIE WANDLUNG SELBST ERREGT MEIN SCHAUDERN.


VIER ALTE WEIBER KRÄCHZEN DORT,
WO ERST DIE KLEINEN, DIE NUN FORT,
SIE BLINZELN SCHARF MIT BÖSEM SCHAUER,
GERUCH DER FÄULNIS STÄRKT DIE TRAUER.


09 / 06. 97
IK








STYX



HALLO, FÄHRMANN, SETZ' MICH ÜBER !

ES STAKST DAS BOOT AUS NEBELWÄNDEN,
DER MEISTER MIT DEN DÜRREN HÄNDEN.
LEISE GURGELND KOMMT ER NAH,
FAST SCHRECKT MAN AUF -
ER IST SCHON DA !


HUI, WAS SIEHT DER FINSTER AUS !

SEIN BLICK IST FORDERND OHNE DULDEN,
DER KNOCHENMANN MAG KEINE SCHULDEN.
AHNEND SPÜRE ICH DEN HOHN,
SO KNIRSCHT KEIN RUMPF -
DEM SIEG ZUM LOHN !


ACH, FÄHRMANN, DREH' DOCH WIEDER UM !

CERBERUS, DER HÖLLENHUND,
IST DER WÄCHTER VOR DEM SCHLUND !
MIT ZWEI KÖPFEN FLETCHT DAS TIER,
NUN WILL ICH FORT -
WAS IST DAS HIER !


NEIN, JETZT PACKT MICH SCHON DAS GRAUSEN !

DEN ABSTIEG SOLL ER NICHT ERSCHWEREN,
NUR DEN RÜCKWEG UNS VERWEHREN !
ALLES SONST WÄR´ MIR NUN LIEBER,
DA SCHALLT DER RUF :
ES SINKT DAS FIEBER !


23 / 06. 97
IK








SONNENTANZ



DIE KUPPEL SCHÜTTET LICHTER AUS,
ALS WÄREN STERNE GLIMMER,
GANZ ALLEIN DIE DUNKELHEIT
BRINGT ZARTE GELBE SCHIMMER.


STEIN AUS FERNER FREMDER WELT,
SO SINNBILD MEINER TRAUER,
SPRENGE MIT GEBALLTER WUCHT
DEN WALL IM WEG ZUR DAUER.


DER BLASSE MOND IST NIEMALS DORT,
TROTZ SCHATTEN FAHLEN SEINS,
IRGENDWO IM TIEFEN MEER
VERSTECKT ER SICH ZUM SCHEIN.


SIE EILEN FORT IN STETER RUHE,
DIE FREUNDE KLARER NACHT,
GLÜHEND TAUMELN MYRIADEN
ZUM SCHWARZEN TOD MIT MACHT.


IM RAUSCH DER SCHIEREN KONFUSION,
ENTSTEHT DER TANZ DER SONNEN,
NEUBELEBT AUS ALTEM STAUB
IST LICHT ZUR EWIGKEIT GERONNEN.


25 / 06. 97
IK








BEGEGNUNG



ICH GEH´ DEN SAUM AM FELD ENTLANG,
GEWITTER DROHT, MIR IST NICHT BANG.


GERUCH VON HEU IN MEINER NASE,
ERFREUT MICH WIE DER LAHME HASE,
DER KURZ HÄLT IM NASSEN WIND,
VERDUTZT, DASS WIR AM LEBEN SIND.


26 / 06. 97
IK








CONQUISTATOR



TIEF IM WASSER SPANIENS SCHIFF,
FERN ESPANIOLA, NAH AM RIFF.
KEINE GESCHENKE, WIE ES BRAUCH,
EISEN BIRGT DER GAST IM BAUCH.


TIEF IM WASSER SPANIENS SCHIFF,
SELIG KREUZE, MACHT IM GRIFF.
KÜHNER WAHNSINN SOLL ES SCHAFFEN,
GOLD ZU FÖRDERN MIT DEN WAFFEN.


TIEF IM WASSER SPANIENS SCHIFF,
VOR HISPANIOLA, AUF DEM RIFF.
BÖSE GIER, VERRAT DER GÖTTER,
SAND VERDECKT DEN HOHN DER SPÖTTER.


26 / 06. 97
IK








INQUISITION



ES TREIBT DEN INQUISITOR UM
SICH EIFERND ZU BETUN.
DIE DENUNZIANTEN SCHWELGEN DRUM
IM JUDASLOHNE NUN.


25 / 07. 97
IK








TODESSTILLE



DUNKEL SENKT SICH LANGSAM NIEDER,
SO DASS ICH ENDLICH SEHEN KANN,
MEINE BILDER KOMMEN WIEDER,
CHAOTISCH STILL IN IHREM BANN.


DIE RUHE BLICKT MIT ZWEI GESICHTERN,
APOKALYPTISCH SCHRÄG ENTSTELLT,
JANUSKOPF AUS DUNST UND LICHTERN,
GENIALE SICHT DER ANDERN WELT !


LAUTLOS STUMM ERLISCHT DIE STILLE,
FLACKERT AUF IM LETZTEN SCHEIN,
IN MIR STIRBT NUN AUCH DER WILLE,
ZURÜCKZUGEHN ZUM LÄRM DES SEINS.


03 / 07. 97
IK








NEPHRIT



DER EDLE STEIN SPRÜHT UNGEHEUER
KASKADEN GRELL AUS GRÜNEM FEUER.
SEINE LINIEN ZWEIGEN FEIN,
ALS SOLLTEN SIE GEHEIMNIS SEIN.


IN DEN TIEFEN AUFGEBROCHEN,
BEGEHRT DER ROHLING IN EPOCHEN,
WIE GEBURT AUS STÄUBEN BLOSS,
ZUM SELTEN LOHN DER ERDE SCHOSS.


SO WIRD DIE SCHMELZE HEISSER GLUT,
ERST IM LICHT ZUM TEUREN GUT.
MILLIONEN FUNKEN ZEUGEN,
VOM TOTENTANZ, NATUR ZU BEUGEN.


SYMBOL DER EWIGKEIT IST JADE,
DARUM ERSCHEINT SIE MIR GERADE,
ZISELIERT IM FLUSS DER ZEITEN,
ALS STIGMA, UNSER TUN ZU LEITEN.


02 / 07. 97
IK








FRANZÖSISCHE IMPRESSIONEN





GARE DU NORD



KÜHL, DOCH SONNIG IST DER MORGEN,
DER FRÜH UNS IN PARIS EMPFÄNGT,
EIN SOLCHER TAG KENNT KEINE SORGEN,
WIR SIND FREI, GANZ UNBEDRÄNGT.


VORM BAHNHOF IST EIN BISTRO OFFEN,
MIT INTERIEUR AUS ALTER ZEIT,
FÜR EIN FRÜHSTÜCK, SO MEIN HOFFEN,
STEHT HOFFENTLICH CAFE BEREIT.


LANGSAM WIRD DAS TREIBEN BUNTER,
WIE AUFGESTACHELT DURCH DAS LICHT,
HINTER DER ZEITUNG LACH´ ICH MUNTER,
NUN, DER LÄRM, ER STÖRT UNS NICHT.


MENSCHEN TREIBEN WIE VERGESSEN,
AUF TREPPEN ZU DEN ZÜGEN FORT,
DER AUGENBLICK, SO SCHÖN BEIM ESSEN,
BLEIBT MIR EINGEBRANNT ALS WORT.


08 / 07. 97
IK








LE CROIX DE SUD



FORMATIONEN FREMDER SONNEN
SIND EIN HEIMWEG MIT BEDACHT,
DAMIT HAT MEIN TRAUM BEGONNEN,
DICH ZU FINDEN IN DER NACHT.


KONSTELLATIONEN FRÜHER WELTEN
ORDNEN SICH ZU PHANTASIEN,
KANN EIN KREUZ ALS ZEICHEN GELTEN,
FÜR LEBEN IN DEN GALAXIEN ?








PERE LA CHAISE



MONUMENT AUS STEIN UND STILLE -
ATMET GEIST.
INSPIRATION HEBT ALLES TOTE AUF -
BEGNADETER ORT.
ICH BIN FROH UND NICHT BEDRÜCKT
EIN FRIEDHOF VOLLER LEBEN.


09 / 07. 97
IK








DER REGENMACHER



ES IST EINER DIESER TAGE IM AUSGEHENDEN SOMMER,
DIE NACH HEU RIECHEN UND UNS NACHDENKLICH MACHEN.


VOM WEIZEN SIND NUR NOCH KURZE HALME UND SPELZEN ÜBRIG,
SEHEN AUS WIE KURZE GELBE BARTSTOPPELN.
SCHON GERAUME ZEIT FLIRRT DIE LUFT NICHT MEHR,
UND SCHMETTERLINGE SIND SELTEN GEWORDEN.


NOCH SIND ALLE BLÄTTER DA, DOCH IHRE FARBEN ÄNDERN SICH.
WOHL SPART DIE NATUR KRÄFTE FÜR DEN LANGEN SCHLAF.
DIE WINDE ZERREN UNGEDULDIGER AM HAAR.
FREUNDLICH IST DAS NICHT.
OB ER DAS WEISS, DER STÜRMISCHE BRUDER DER LAUEN SOMMERLUFT ?


KALT IST DER HIMMEL.
DAS ABENDROT IST AUSGEBLIEBEN, UND STAUB BRENNT IN DEN AUGEN.
ZEIT WIRD ES FÜR DEN REGENMACHER, DIE WÄRME AUFZUFRESSEN.
ICH TRAF IHN DRAUSSEN BEI DER SCHEUNE,
DEN NASSEN FREUND, DEN UNSRE SIPPSCHAFT MEIDET,
MAN HÖRT NICHTS MEHR AN LACHEN UND VON LIEDERN IN DER NACHT.
WARUM ?
IST ES VORBEI ?


WIR LIEGEN HIER.
GEWITTER SO HERBEIGESEHNT, DER REGENMACHER NICHT.


15 / 07. 97
IK








EIN STERN VERLISCHT



EIN VERTRAUTER FREUND GEHT FORT,
ICH WEISS NICHTMAL, WOHIN.
ALLE EWIGKEITEN WAR ER DORT,
UM ZU BEZEUGEN, DASS ICH BIN.


SEIN SCHEIN WAR MIR IM DUNKEL NAH,
SO SCHÖN PULSIEREND ROT.
GAUKELT VOR, ER WÄRE DA,
UND IST SCHON JAHRE TOT.


15 / 05. 97
IK








IRONIE



ICH SAG DIR WAS.

UND DIE ANTWORT IST,
EIN LÄCHELN AUS DEINEM SOMMERSPROSSIGEN GESICHT,
SO SEMMELBLOND WIE DIE LÖCKCHEN DRUMHERUM.

SPÖTTISCH BLITZEN BLAUE ÄUGLEIN.

DAS BUNTE KLEIDCHEN IST LUSTIG.
MIT DEN GROSSEN BLÜTEN FLATTERT EINE SOMMERWIESE,
GENAUSO SCHEINT DIE STIMMUNG MITTENDRIN.
SCHMETTERLINGE ZIRPE DICKE STARKE FARBEN ALLENTHALBEN.

DEIN MUND SPITZT SICH ZUR SCHELMISCHEN NECKEREI.
DOCH DU SPRINGST INS HOHE GRAS,
DEN FÜLLEN ÄHNLICH, DIE DU SO MAGST.
UNSCHULDIGER ÜBERMUT UNBEDARFTER KINDLICHER FRÖHLICHKEIT,
TROTZ NASSER FÜSSE.

ICH SAG´ DIR DAS. DEINE ANTWORT KOMMT SOFORT.

UNSCHULD IST DER ERSTE VERLUST,
AUF DEM WEG ZUR EIGNEN FREIHEIT.

DAS IST KEIN SPOTT, SONDERN NUR
IRONIE.

DU BIST ES, MEINE TOCHTER.


18 / 07. 97
IK








WIEVIEL ZEIT



WELCHE SPANNE GIBST DU MIR,
DAMIT ICH DINGE TUE,
DIE MICH NICHT STERBEN LASSEN HIER,
TROTZ ANGETRETNER RUHE ?


WIEVIEL ZEIT VERBLEIBT MIR NOCH,
MISSIONEN ZU ERFÜLLEN,
HAST DU MICH DENN AUSERKOREN,
BIN ICH FÜR GRÖSSERES GEBOREN ?


18 / 07. 97
IK








REBELLENFRAGMENT





I. ALLEIN



MÜTTERLICHE HÄNDE - OHNE WÄRME,
VATER WO
UND BRUDER -
OHNE HELFENDEN VERSTAND.

UMFELD,
GRAUE NORM, DOGMATISCH TOT,
ALS WAND - DIE MAUER STEHT.

UNERKLÄRTE ABLEHNUNG.
KIND - STATT EGO ZU BEREUEN,
SOLLST DU DICH AM WERDEN FREUEN.

MISSVERSTANDNE UNVERNUNFT
IST ABLEHNTES ANDERSSEIN.

TRAUMGEBILDE FERNER STÄTTEN,
SIND DER SCHUTZ, VERSTAND ZU RETTEN.
DAMIT ICH MICH NICHT WEITER QUÄLE
AUF DEM WEG ALLEIN,
BLEIBEN KRATZER IN DER SEELE.

NUR EINE HAT VERHINDERN WOLLEN
DEN EINZELGÄNGER.
GEBLIEBEN IST ZU ZWEIT,
DER EINZELKÄMPFER.








 III. VEREINNAHMUNG



MIT REBELLEN IST GUT SCHMÜCKEN,
VERDECKEN SIE MIT NASSEN RÜCKEN,
IM FESTGEFAHRENEN DESASTER,
FREMDE NIEDERTRACHT UND LASTER.

MIT GESTOHLNER MASKE BIETEN SIE DIR
IHREN KAMPF,
DER NICHT DEIN EIGNER IST.
HIN- UND HERGEWORFENES TREIBGUT
HAT ES SCHWER, SICH EINZUFINDEN -
ZUM SOG, WO STRUDEL WORTE SCHINDEN.

IM WASSER DEM ERTRINKEN NAH,
SIND PLÖTZLICH LAUTER RUDEL DA.
GIB IHN DEN FINGER, BÜSS´ DIE HAND,
SIE ZIEHN DICH RAUS
UND HALTEN DICH IM LAND.

HEILIGES MYSTERIUM - WER NICHT MITGEHT, BLEIBE STUMM.

DEM ERKENNEN IHRER FALLEN
FOLGEN MESSERSCHARFE KRALLEN.
VON ALLEN SEITEN
WERFEN SIE DEN SILBERLING IM ZORN,
DEIN NIMBUS JA, DEIN GEIST BLEIBT DORN.








IX. TRIUMPH



GEH', SONDERLING, DEN WEG ALLEIN,
WIRST VERSAGER ODER TRIUMPHATOR SEIN.

UNGEAHNTE TÄLER, HÖHEN,
DAZWISCHEN IST DEIN WIRKEN NICHT.

GENIUS VOLLER REBELLIONEN
BIST DER ANSCHUB JAHRMILLIONEN.

GEFORMTE MASSE FÜRCHTET DICH,
DOCH SIND SIE BLIND;
VERGEUDEN LICHT,
UND SEHEN IHRE ZUKUNFT NICHT.

ICH SCHREI´ SIE AN,
IHR BLICK IST TAUB,
DIE OHREN STUMM,
SIE SCHAUEN ANDERS,
UM DIE AUGEN DRUMHERUM.

SIND WIE IMMER MITTELMASS,
DAS REICHT DANN SCHON -
NORMALITÄT ALS RELIGION.

HA -
ICH LACH´ EUCH INS GESICHT,
SPIESSBÜRGER !


23 / 07. 98
IK








DAS VERLORENE SCHIFF



IM STRANDMONDÄNEN MONDTHEATER,
ASCHGELBES LICHT
DIFFUSER KRATER.
DER LETZTE AKT,
EIN WRACK.
SZENERIE ABSURD
IN TOSEND BRANDUNG -
SELTSAMES SINNBILD EINER LANDUNG.


SCHRÄG GESTELLT AUF SCHARFER KLIPPE,
WANKT DAS SCHIFF NUR ALS GERIPPE,
FAST LUSTIG,
WIE DIE SPANTEN SCHAUKELN,
SCHEINBAR MACHT DIE DÜNUNG GAUKELN,
LEBEN WÄRE NOCH IM RUMPF.


EIN WIRRWARR SCHLAFFER NASSER SEGEL,
HALB ÜBER BORD, DER BUG ALS PEGEL
TIEF IM SCHLICK.
SEILE, ROLLEN, BLÖCKE TAUMELN,
GEBROCHNE RAHEN, TAUE BAUMELN
ZUM TAKT DES ABGESANGS AUF HALBEN MAST.


DER ANKER !
SCHREIEND HOHN
SEIN KREUZGEBILDE,
ALS BEGLEITER IN GEFILDE,
WO KEIN LEBEN IST.
BIZARRE WELT !


FÄSSER ROLLEN
HINTER PLANKEN,
AUS DEM ZUVOR DIE MÄNNER TRANKEN.
ODYSSEUS, DIONYSOS !
TRIEB DER WEIN DIE SO VERWIRRTEN,
DASS SIE SICH IM STURM VERIRRTEN ?


WEITER IST DER STURM GEWANDERT,
HAT SEINE SPUR INS RIFF MÄANDERT.
IM SAND SPIELT LEISE
JEDE WELLE.

ES IST VORBEI.


25 / 07. 97
IK







BÖSE AHNUNG



WIE PULSARE IM GESTEIN,
TANZEN
RYTHMEN HELL UND REIN,
DIE MIR MEINE SCHRITTE GEBEN,
ABER AUSEINANDER STREBEN.


ZWEI GESICHTER, KEIN ENTRINNEN,
LICHTERSCHATTEN,
SCHRILL VON SINNEN,
ICH FASSE DEN GEDANKEN NICHT,
WERTIGKEIT UND KEIN GEWICHT ?


KÜNSTLERHAND ZUM GELBEN SCHEIN,
WILL ICH DENN -
WIRKLICH KÖNIG MIDAS SEIN ?
LAUF DOCH WEITER !
SONST RINGT ORPHEUS WIEDER,
GEDULDIGKEIT MIT NEUGIER NIEDER.


UND BIZARRE WIRKLICHKEIT,
CHARISMATISCH, BÖSE -
ENDLOS WEIT,
KANN IN DIR NUR GEIST VIBRIEREN,
WENN SICH DÄMONEN DUELLIEREN ?


30 / 07. 97
IK








DIE KATZE



ES SCHLEICHT IM GRAS EIN LEICHTER SCHATTEN,
GEDUCKT,
GANZ FLACH,
HABT ACHT, IHR RATTEN !


SPITZ DIE OHREN VORGEKIPPT,
GERUCH IM WIND NUR LEICHT GENIPPT,
DIE AUGEN SPIEGELN LÜSTERN SCHEIN,
SO STEHT SIE DORT,
ERSTARRT ZU STEIN.


VOLLER SPANNUNG WIE EIN BOGEN,
HÄNGT DIE PFOTE IN DER LUFT,
ALLE SINNE VOLLGESOGEN,
ZUM SPRUNGE ÜBER KURZE KLUFT.


EIN VOGEL,
NAH IM HOHEN WIPFEL,
VERDIRBT MIT RUF
DER JAGD DEN GIPFEL.


BELEIDIGT ÜBER DEN VERRAT,
WIRD ER ZIEL DER NÄCHSTEN TAT.
IM MOMENT JEDOCH, MIT GRÖSSE,
TROLLT SIE SICH -
NUR KEINE BLÖSSE !








 DAS ZERRISSENE GESICHT



MEILENWEIT
DER WEG INS ICH,
INTUITION -
WO TREFF ICH DICH ?

HINTER DEM ZERRISSENEN
GESICHT,
DAS AM UNBEWUSSTEN
RÜHRT,
FIND ICH MEINE TÜRE
NICHT,
DIE ZUM GEIST, DER SEELE,
FÜHRT.



30 / 07. 97
IK
 

 

 

 

 

 


APHORISMATIKA







VERSTAND



JUNGVERLIEBTE,
SO SAGT MAN,
SCHALTEN DEN VERSTAND AUS.
SELBSTVERLIEBTE
HABEN ERST GAR KEINEN.







GLAUBE



AM GERINGSTEN GLAUBWÜRDIGKEIT VERSPÜRE ICH
ANGESICHTS DER INSTITUTION KIRCHE.








GENIUS



MEISTERSCHAFT IST
DILLETANTISMUS
ANGESICHTS DER
GENIALITÄT.








INTELLEKT



INTELLIGENZ IST NICHT GLEICH
WISSEN,
SONDERN
DESSEN BEWUSSTE ANWENDUNG.








BESITZ



WENN WIR ALLES SOVIEL HÄTTEN
WIE GELD,
GINGE ES UNS GUT.


30 / 07. 97
IK








APHORISMATIKA II




STILLSTAND



FUNKTIONÄRE
SIND DER TOD DER
VISIONÄRE.








MAJORITÄT



MEHRHEITEN
HABEN IRGENDWANN
ALS
MINDERHEITEN
BEGONNEN.








TALENT



ALLESKÖNNER
BEHERRSCHEN
VIELES
GLEICHGUT SCHLECHT








 ABSCHIED



WENN DIE UNBEKÜMMERTHEIT GEHT,
KOMMT DIE BERECHNUNG.








LATEINISCHE BINSE



tempus fugit,
DRUM
carpe diem !



25 / 09. 97
IK








CALIFORNISCHE TRIOLOGIE




CALIFORNIA DREAMING ( 1 )*



DUNKLE SONNEN HELLER MONDE
SIND DER TANZ DER WEISSEN SCHATTEN.
SANDIGES WASSER,
KÜHLE WÄRME,
IM ZEITVERSETZTEN ANDERSWO.

If I was in L.A.

BOULEVARD DER EITELKEITEN,
PROMENADISIERTE HERZFREQUENZ,
SPÄHREN KLINGEN WIE SIRENEN
IM KARUSELL
BIGOTTER TRÄUME.

Stop it to return !

LICHTERMEERE OHNE TIEFEN,
EILENDE MENSCHEN OHNE HAST,
GESCHMOLZEN AUF DEM PUNKT DER TROPFEN,
KRISTALLISIERT 31 / 07. 97
AMERIKA.








VENICE ( 2 )



ICH TRAF DICH SCHON MAL IN PARIS
BEI SAKRALEM ORGELSPIEL,
NUR RAUSCHEN HIER
ENDLOSE MEERESWELLEN.

DER STRAND IST DIE EMPORE
IM TEMPEL FREUD´SCHER THEORIE,
VOYEURISMUS, NAH AM STRIP,
VOR PRÜDEN ALTEN HÄUSERN.

ABGEWANDT ZUM REST DER STADT
BLÄTTERT FARBE VON DER WAND,
UND REISST IM SUNSET VENICE BEACH
LÖCHER IN DEN MASCHENDRAHT.








L.A. AIRPORT ( 3 )**



WEITER PAZIFIK STRECKT SICH IN DER TIEFE,
NACH TAHITI,
IM RÜCKEN OZEANISCHER TÜRKISE
SCHWEBEN WIR INS GRÜNE SCHILDERMEER L.A.

UNTER BLAUEN BÄUMEN AFRIKAS
FEIERN MEXIKANER
AUSGELASSEN IN DER WÄRME
DEN PROTEST ZUM GELBEN BUS.


31 / 07.* // 18 / 09. // 19 / 09.** 97
IK








ALEXANDER



WER, VERDAMMT, BESTIMMT REGIDE
ÜBER DIE DAUER DER ÄGIDE ?


ALEXANDER,
SCHON ALS GOTT GEBOREN,
STICHT DIE HEILIGEN IN BRAND.


GETRIEBEN VON DER WUCHT UND LAST
WIRD SEIN SCHICKSAL
REINE HAST.


CHARISMA VERFÜHRT DIE JÜNGER,
IHREN GOTT NICHT ZU VERLIERN.
SEINEM GEIST
VERMAG ZU FOLGEN,
WER VON ANDERN WELTEN IST.


DOCH IST DIESER SOHN DER SONNE
EINGEHAUCHTER GENIUS NUR ?


KEINER
KENNT DEN HORT DER QUELLE,
WO BESTIMMUNG IN SICH GEHT,
WO AN UNGEAHNTER STELLE,
DER AUSERWÄHLTE GOTT ENTSTEHT.


ACH, ALEX,
WAR DEIN KURZES LEBEN
NUR RUHELOSES SELBSTERSTREBEN,
ODER, MESSIAS, SAG´ WARUM
MUSSTEST DU DEN FLUCH GEHÖREN,
MIT DEM DIE MENSCHEN SICH ZERSTÖREN ?


DER KNOTEN FIEL IN GORDEON,
ER SITZT SO FEST WIE NIE.
NIRVANA ?
IN DER PFORTE KEINE LÜCKE !
UND SCHULD DARAN IST -
EINE MÜCKE ?


01 / 08. 97
IK








DIE VERROTTETE STADT


BLUTROTER MOND ÜBER
HEISSGELIEBTER UND VERHASSTER STADT,
IN DEINEN ADERN FLIESST
DER ALKOHOL.
ALLE STRASSEN LAUFEN RÜCKWÄRTS,
UND DIE HÄUSER STEHEN KOPF.

DU HAST DICH SELBER AMPUTIERT,
AN GLIEDERN
UND AM GEIST.
MIT DER MASKE NEUER TÜNCHE
KANNST DU DEN FREMDEN
TÄUSCHEN,
NUR NICHT MICH,
DENN -
DEINE ZIELE ENDEN NICHT.

GLEICHGESINNTER STUMPFSINN
PARI,
MACHT IDIOTEN ZUR GALION.
LEBENSSINN ALS TOTE GASSE,
VERBINDET,
IM ZELT VOLL ANSPRUCH
OHNE WIRKLICHKEIT.

IM REVIER KOMPLETTER LEERE
IST DIE MITTE ANGELPUNKT
VOM IRGENDWAS,
WO KOLLEKTIVER MOB IN RAGE
DIE GROSSE ÖDE
ZELEBRIERT,
IN DER DIE STADT ENTSTEHT
DIE JEDE FRAGE TÖTET.


18 / 08. 97
IK








SECHS STERNSCHNUPPEN



KLARE NACHT DURCHKREUZT DIE ERSTE
Ich möchte nicht meines Vaters Sohn sein !

ZUR ZWEITEN BÄUMT SICH KURZ IHR LICHT
Und nicht die Tochter meiner Mutter.

INTENSIVE DRITTE DRIFTET SÜDWÄRTS
Ob ich der Bruder meiner Brüder bin ?

ALS VIERTE BLASSE UNBEKANNTE
Oder jener meiner Schwestern, die ich nie hatte ?

BLITZT EINE FÜNFTE NUR KURZ AUF
Das Kind der Eltern muß ich sein.

NUR DIE SECHSTE SCHLUCKT DER MOND
Ich bin ich !


20 / 08. 97
IK








NIAGARA BUFFALO



HUNDERTTAUSEND GRILLEN ZIRPEN
DEN SCHREI DER SCHWÜLEN SOMMERNACHT,
IN GRÄSERN,
NEBEN STRASSEN
AUS RISSIGEN BETON,
BEVOR DIE BLITZE KOMMEN.


HOLZHÄUSER WURZELN TRINKEND IM KANAL
AN SCHNURGERADEN CITY LIMITS.
BUNTES GLAS, LEBENDIG ODER STARR,
AUFGEREIHT ZU SCHIEFEN MASTEN,
BAUMELT IM GEWIRR DER KABEL,
DIE VORBEIGEEILTE ZEIT.


ANACHRONISMUS DUMMER ZÄUNE,
ÜBERHOLT DURCH RASENMÄHER,
BEHINDERT JENES EICHHORN NICHT
MIT DEM FALSCHEN BRAUNEN FELL.


ICH SCHWIMME DURCH DEN BLAUEN LADEN,
IN WELLEN HOCH UND RUNTER.


TOSENDE WASSER QUER DURCHSCHNITTEN
VOM KIEL DES KLEINEN SCHIFFES.
ALS BLAUE MEUTE MITTENDRIN IM HUF GEZÄHMTER PFERDE,
IST DIE HALBE BRÜCKE ÜBER UNS TEILSTÜCK EINES WEGES,
ZUM ERLEBEN MANCHER TRÄUME,
MIT VIEL OPEN END.


25 / 08. 97
IK








DER ASTRONOM



ER STARRT HINAUS IN
EINE JENER SELTEN NÄCHTE,
DIE ZU KLAR SIND FÜR DEN SCHLAF.

HE, ASTRONOM, WAS SIEHST DU HEUTE ?

FRAU UND KIND ENTRÜCKT DES LICHTS
SEINER GELIEBTEN FERNE,
DENN TROTZ WEITSICHT SIEHT ER NICHTS,
DER ALCHIMIST DER STERNE.

NUN, DEN WIEVIELTEN KOSMOS FINDEST DU ?

MIT DEM ALTEN KATER ZOG DIE LETZTE FREUDE
WEG VOM LEEREN NAPF,
NAMENS WISSENSCHAFT UND EINSAMKEIT,
DIE SCHWESTERN UNISONO.

OJE,
SEIN NAME GLÜHT IN WINDUNGEN,
WIE DAS KNÜPFWERK EINER SPINNE,
SUCHT ER VIELLEICHT VERBINDUNGEN,
GEKREUZT ZUM NETZ DER SINNE ?

SEIN VERSTAND ENTLÄSST DIE HÄNDE,
WIE KRÜGE WASSER ODER WEIN,
IM SOG PORÖSER WÄNDE.

DUMMER NARR !
WAS GLAUBST DU DENN ZU FINDEN IN DER WEITE ?

DIAMANTEN ODER PERLEN ?
VERDAMMNIS FÜR DAS SEELENHEIL,
UNSTERBLICHKEIT
IN RATEN ?

SAG´ ES UNS, DIE NICHT BEGREIFEN !

WOMÖGLICH SCHAUT ER MEHR WIE WIR,
DAS LÄSST UNS ÄNGSTLICH SCHAUDERN.
ACH,
UNSINN, GREISER MERLIN, MIT DEM ELLENLANGEN TELESKOP,
DU BIST EIN BLINDER SEHER !


01 / 09. 97
IK








PAUL



Paul war Arbeiter in einer Möbelfabrik.
Einer der seine Arbeit liebte.
Ein Spezialist zum Kleben von Holzfurnieren auf vorbereitete Spanplatten.
Da er sehr geschickte Hände hatte, gab es keinen Ausschuß.
In diesem Job war der ruhige Paul zweifelsohne der Beste.
Und dies nun schon seit über 25 Jahren.
Jeder hier wußte das.
Ja, sie hatten ihn sogar gelobt, an dem Tag, als er sein Jubiläum hatte.

Doch nun macht ein Gerücht die Runde.
Neue Maschinen sollen kommen, die automatisch Furniere kleben können.
Zehnmal soviel in der Stunde wie Paul am ganzen Tag schafft; der schnelle Paul.
Teuer sollen sie sein, um die 15 Millionen, hört man.
Da wird es leichter für dich, Paul, haben sie gesagt.

Am Monatsanfang stand sie da, das Monstrum, groß und laut.
Zischend geschnieft hat sie, wohl, weil so viele feingekleidete Schönredner dabeistanden, als die erste  schief geklebte Platte rauskam. Hinten. Am Ende.
Alle haben gelacht, Schnittchen gegessen und Champagner getrunken.
Einer hat mit großer Schere das dicke bunte Band durchgeschnitten und von neuer Ära gesprochen.
Paul hat sich die versaute Platte angeschaut und ansonsten finster dreingeblickt.

Montags mußte er ins Büro.
Sie haben ihm ein neuen Job im Keller bei den Akten gegeben.
Für weniger Geld. Für noch weniger Geld, wie seine Frau meinte.
Michelle hat den Kopf geschüttelt und besorgt an die fünf Kleinen gedacht.

Die große Maschine lief jetzt immer, Tag und Nacht.
Sie machte Krach und Gestank, der Ausschuß hielt sich in Grenzen.
Paul konnte sich seine Kräfte sparen, für den winzigen Garten am schäbigen, unbezahlten Haus.
Freitag mittag, in der Pause, ist er gekommen.
Mit der langen schweren Eisenstange hat er ewig vor dem schnaufenden Ungetüm gestanden.
Dann hat er sie ruhig, aber wuchtig mit seinen jahrzehntelang trainierten Armmuskeln tief ins Gedärm des Teufels getrieben.
Sie hat furchtbar aufgeheult, Funken und Oel erbrochen, und ist dann langsam verreckt.
Kreischend wie die sterbende Maschine kamen die hohen Herren angestürzt.
Paul hat sich wortlos umgedreht und ist gegangen.
Zum erstenmal hat er wieder zufrieden ausgesehen.
Am stählernen Tor hat schon die Gendamerie gestanden und ihn mitgenommen.

Tags drauf haben sie Michelle gefunden mit den Kindern.

Vor Gericht hat der  Staatsanwalt fürchterlich getobt, ihn Saboteur und Mörder genannt, für den er bedauere, die Todesstrafe nicht mehr verhängen zu dürfen.
So wurde Paul zu lebenslänglichen Zuchthaus und schwerer Zwangsarbeit verurteilt.

Er verbüßt die Strafe unweit seiner alten Heimat.
Jeden Tag bringen sie ihn in eine Möbelfabrik, wo er Holzfurniere auf vorbereitete Spanplatten klebt.
Er arbeitet sehr genau, und Ausschuß gibt es keinen.
In diesem Job ist der ruhige Paul zweifelsohne der Beste.



01 / 09. 97
IK








DER WEG



ICH MAG DIE AUSGELATSCHTEN PFADE NICHT,
DIE ANDRE FÜR MICH TRETEN,
SELBST WENN SIE ASPHALTIERT
UND HELL ERLEUCHTET
ORGIASTISCH HÖHENZÜGE STREIFEN,
DIE MANCHEM ZIEL UND ANFANG SIND.


GEISTGEFUNDNE WEGE LAUFEN DUNKEL
ÜBER CHAOTISCH BLINDES TUN
BIGOTTEN PHARISÄERTUMS.
SIGNIFIKANTER TASTSINN
IST VONNÖTEN OHNEGLEICHEN,
IM GLAUBE AN DAS LICHT BEI NACHT.


HERRLICH TÄUSCHT DIE SERPENTINE,
FÜHRT IM SCHLENDERSCHRITT
ZUM PASS.
NUR ZUM SCHEIN -
AM ENDE HEISST DER GIPFEL
ABGRUNDTIEFE HOFFNUNG BLOSS.


GEWAGTE FINSTRE STRASSEN BERGEN
IN BLINDHEIT
REIZ ZUM SELBSTGEWINN.
SOLANGE ICH INS UNBEKANNTE FALLE,
AKZEPTIERE ICH DEN STURZ,
WAS SONST ERWEITERT MEINE GRENZEN !?


02 / 09. 97
IK








EMPFINDSAMKEIT



ÜBER DAS PLATEAU AUS WIESEN,
STREUNT DER FRISCHE WIND GANZ SACHT,
IN WELLEN WOGEN HALM UND BLÄTTER,
FLÜSTERN IHREN HERBSTGESANG.


GRÄSER SCHICKEN REIFE SAMEN
DEN POLLEN WILDER TRIEBE NACH,
SIE JAGEN WIE EIN SEGELSCHIFF
FERNEN GESTADEN HINTERHER.


SPRING´ AN BORD UND SETZE SEGEL,
EILE FORT IN FREMDES LAND !
LASS´ DICH TREIBEN WIE DIE SPOREN,
ZU INSELN IN DER NEUEN WELT !


SCHWACHER NEBEL IN DER MULDE,
ZEIGT DEN WANDEL NAHER ZEIT,
RASCHELND SPÜREN KLEINE FREUNDE
LETZTE KÖRNER AUF IM GRAS.


IM GEWIRR VERFILZTER KRÄUTER,
UNTER BÄUMEN VOLLER ROT,
DECKT DAS LAUB VERGANGNER TAGE,
WÄRMEND MUTTER ERDES SCHOSS.


ICH BLEIB STEHEN, LAUSCHE NUR,
BIS STILLE MEINE SEELE STREIFT -
VIBRIEREN DA VERBORGNE SAITEN,
WIDERHALLT GEFÜHL IN MIR ?


03 / 09. 97
IK








ELM STR.



STAAT AUS MÖRDERN UND INTRIGEN,
BÜNDELTE GESCHOSSE GUT PLAZIERT,
TÖTETE IM WEISSEN WAGEN
SEINE UNSCHULD.


IM FOND ERLOSCH DER HOFFNUNGSFUNKE,
IM LAND DAS WARME LÄCHELN,
ALLE PFORTEN SCHLUGEN ZU,
AUF UNBESTIMMTE ZEIT.


03 / 09. 97
IK








NYMPHOMANIA



BEIM STREIFEN DURCH DEN WALDESSAUM
BETRETE ICH DIE LICHTUNG,
EIN NIE ERAHNTER ANBLICK DORT
SCHEINT MIR WERK VON DICHTUNG.


ZARTE SCHIMMER GOLDNER STRAHLEN
VERFANGEN SICH AN MOOSEN,
AUF NASSEN BLÄTTERN SPIEGELT SICH,
EIN SEE ERBLÜHTER ROSEN.


EIN BÄCHLEIN AUS DER KÜHLE,
FLIESST SÄUSELND DURCHS GESTEIN,
NYMPHEN TOLLEN AUSGELASSEN,
WÄHNEN SICH ALLEIN.


SIE SPIELEN MIT DEN BLUMEN,
FANGEN REGENBOGEN EIN,
RIESEN SCHMETTERLINGE STRANDEN,
ALS BUNTER SCHRECK IN IHREM WEIN.


DER NACKTEN MÄDCHEN STIMMCHEN
SINGEN UNBEKÜMMERT FEIN,
MIT ZARTEN FLÜGELN SCHWIRREN SIE
DURCH LÜFTE KLAR UND REIN.


ICH HÖR´ DAS LIED DER ELFEN,
SO LIEBLICH WIE EIN KUSS,
ZU HEFTIG MEIN ERSTAUNEN,
EIN AUFSCHREI, DANN IST SCHLUSS.


DIE FEEN SIND AUFGESPRUNGEN
UND WIRBELN WILD HERUM,
HALTEN SICH AN HÄNDCHEN
UND BLEIBEN PLÖTZLICH STUMM.


DANN STÜRZEN SIE MIT WEHEM HAAR
INS WASSER OHNE WINKEN,
MUSS DAS LIED, WIE DAS VERGESSEN,
IN TIEFE STRUDEL SINKEN ?!


03 / 09. 97
IK








DER GOLFER


I.

BREITBEINIG STEHT, MIT FESTEM BLICK,
DER GOLFER
AUF DER DRIVING RANCH,
SCHWINGT DURCH UND DRISCHT
DEN BALL MIT SCHWEREM EISEN,
HINEIN INS SATTE GRÜN.


II.

DER TREIBSCHLAG AUS DEM OSTEN
RÄUMT DIE WESTPERIPHERIE,
NUR
ADLER SIND BEI DIESEM SPIEL
BELIEBTE RÄUBER
UNTER PAR.


III.

EINER
SCHLEIFT SEIN ARSENAL ALS
CADDY
DURCHS GEVIERT -
UND IST AM ALLERLETZTEN LOCH
DER GEWOHNTE PUTTER.


IV.

SO BEDARF ES EIN PAAR SCHLÄGE,
UM DIE REGELN ZU VERSTEHEN,
MEMBERSSHIP
HEISST STATUS QUO AUF RASEN,
DER IMMER NOCH GEWÄHRT,
DEN.....


V.

CUT !


05 / 09.97
IK








HOMAGE MAURICE



AFRIKA -
IM AUGENWINKEL,
INDIENS CURRY IM GESCHMACK,
FÜHREN GASSEN ROTER ERDE
DURCH SÜSSE FLÜCHE ZUCKERROHR.


WEISSER VOGEL -
MIT DEM LANGEN SCHWANZ,
TANZT AM STEILHANG SEGA,
ÜBER ALTEN KNOCHEN
UND DEM URWALDREST.


SCHWARZE PERLEN -
AUSGESPIEHN MIT VULKANISCHEM GEBRÜLL,
BRECHEN WELLEN,
AM LANGEN STRAND ENTLEGNER INSEL,
DIE ES NICHT NOCH EINMAL GIBT.


RUM -
BETÄUBT DIE KLAGE,
WENN DAS PARADIES GEFLEDDERT WIRD,
DIE CHANCE BLEIBT,
IM FINDLING OHNE MACHT.


FROHSINN -
TRÄGT SICH SCHWER AM FREIEN LAUF,
UNVERFÄLSCHTES TREIBEN PINSELT WOHL
WELLBLECHHÜTTEN BUNTER,
DOCH WÄSCHT DER REGEN ALLES AB.


05 / 09. 97
IK








SEITENVERKEHRT



EIN FRÖHLICH KIND SPRINGT ÜBER WIESEN,
PATSCHT IN PFÜTZEN, DASS ES SPRITZT,
DEN KOPF IM NACKEN VOLLER SCHALK,
BRICHT DAS LACHEN SICH DIE BAHN,
FÜR SEIN LEBEN OHNE ANGST.


OH JA, SCHÖNER KANN WOHL KEINE SONNE SCHEINEN,
DA SETZT LEISE REGEN EIN,
HELL WIRD DUNKEL,
LINKS WIRD RECHTS,
UND MAUERSCHATTEN FALLEN.


ICH VERLASSE MEINE SEITE,
UNGEWOLLT,
UM FREMDES ZU BEGREIFEN,
DOCH MEIN KOPF WIRD UMGEDREHT -
WIDER REGELN DER NATUR.


BLAUE TINTE LÄUFT,
AUS ZARTEN KLEINEN FINGERN,
VERKEHRT HERUM DEN BERG HINAUF,
FLÜSSE ÄNDERN IHRE RICHTUNG UNTER BLICKEN VOLLER WUT,
OHNE MEIN BEGREIFEN.


WARUM BLENDET IHR MEINE ALTBEWÄHRTE SICHT,
NENNT MICH NARR,
VOR SPIEGELN MIT VERDREHTEN SCHRECKEN ?
UND SEHT DOCH MEINE TRÄNEN NICHT -
IM WERTMASS EURER ZWÄNGE.


DER BLICK GEHT FREUNDLICH DURCH MICH DURCH,
WOBEI ICH AHNE,
ES WIRD EIN EINSAMES ERFAHREN,
MIT BLINDENSTOCK IM VERDORRTEN KIESELBETT
NACH WASSER FÜR DEN WISSENSDURST ZU GRABEN.


JA, ICH BIN ZURÜCKGEKEHRT ZUR GRENZE MEINER SEITE,
AUF DIESER LINIE BALANCIERE ICH -
MITUNTER,
DOCH BLEIBEN ZWEIFEL,
OB DIE GERBROCHNE HAND ZU HEILEN IST.


08 / 09. 97
IK








 VERIRRT



AM MAISFELD JAGT EIN KLEINER JUNGE
BUNTEN SCHMETTERLINGEN NACH,
VERGISST DIE ZEIT IM LAUEN WIND.
EIN SCHÖNER FALTER FLIEGT HINEIN,
FLATTERT SPRUNGHAFT -
IM GEWIRR GEREIFTER TRIEBE.


SELTSAM FARBIG IST DER SEGLER,
WEIL -
FLAMMEN KRÖNEN SEINE FLÜGEL,
BLAU UND ROT ALS BITORESKES KLEID.
SOFORT STÜRZT DER JÄGER
BEGEISTERT HINTERDREIN,
ERHASCHT ALLEIN SICH SELBST.


IN DER WOGENDEN OASE,
RAUSCHEN ENDLOS DÜRRE STENGEL,
UNENTSCHLOSSEN ABER PENDELN
NADELN NACH VIER SEITEN,
NUR ZUM HORIZONT DER RUHE NICHT,
FREI VERSCHLOSSNER WEGE.


ÄNGSTLICH RENNT DER KNABE VORWÄRTS,
DURCH DIE REIHEN STUMMER GITTER,
ERWÄHLT VERWIRRT SEIN LABYRINTH.
IN DER HETZE DER GEFÜHLE
ORDNEN SICH GEDANKEN
ZU SKURILLEM WIDERHALL
TIEF VERBORGNER SÜHNE.


IN SCHNELLER HAST HÄLT AUSSCHAU,
UNSER FLÜCHTLING NACH DEM WEG,
STOLPERT DENNOCH IM ERSCHRECKEN
ÜBER BEIDE FÜSSE.
WORTLOS PACKT IHN DIE GROTESKE,
NAH AM NASSEN GRABEN,
SCHLEUDERT SCHLAMM IN DAS GESICHT
VOLLER TRÄNEN UND GESCHREI.
DANN PLÖTZLICH SICHT.


SO LIEGT ER JETZT IM BACH,
SCHAUT HIMMELWÄRTS.
EIN LÄCHELN HUSCHT
DEM SCHMETTERLINGE NACH,
DER AUCH DEN WEG GEFUNDEN HAT.


IM GRAS,
NEBEN KORNBLUMEN UND MOHN,
TRÄUMT DER HELD
VOM NÄCHSTEN TAG.


10 / 09. 97
IK








PENDULUM



DER PENDELAUSSCHLAG LINKS WIE RECHTS
STEHT STILL !
AUGENBLICKE NUR - TROTZDEM STILL.


PENDEL IN DER MITTE SIND AM TIEFPUNKT ANGELANGT,
EIN PAAR EWIGKEITEN NUR -
DOCH FÜR IMMER.


LASS´ DAS PENDEL KREISEN, CIRCENSISCH WIE EIN RING,
DURCHEILE JEDE STELLE, NEU IM ANBEGINN.


11 / 09. 60 ( 97 )
IK








DAS WEISSE ZELT



HINGESTRECKT IM WEISSEN ZELT, DENK´ ICH BAR DER SINNE,

MEINE SEELE IST ERBLINDET,
VOM GRELLEN SCHEIN DER NACHT.


ICH SCHWANKE AUF DER TOTENSTATT, IN LETZTER FAHRT ALS GEIST,

DAS FLÜGELTOR DER WAHRNEHMUNG,
VERSCHLIESST SICH HINTER MIR.


RINGS UMHER NUR WEISSE WÄNDE, BLASS UND VOLLER SCHATTEN,

RASTLOS SUCHEN FINGER,
DEN WAHNSINN ZU ERTASTEN.


HÄNDE FINDEN KEINEN HALT MEHR, AM WEISSEN TUNNELSTOFF,

IM BEMÜHEN ZU BEGREIFEN,
STÜRZT MEINE EINSICHT HIMMELWÄRTS.


11 / 09. 97
IK








REISE INS ICH



HE, FREUND,
SIEH´ MEIN FENSTER INNENDRIN,
BEMALE MIR SEIN GLAS
MIT DEM SILBER MEINER PHANTASIEN,
DAMIT SICH WAHRHEIT
WIDERSPIEGELT.


MICH BEGLEITEN AUF DER REISE,
SYBILLINEN AUS DEM KRYPTISCHEN KARTON.
IM DIFFUSEN SINGSANG
HELLENISTISCHER VOKALE
IST MEINE DECKE
EINZIG SCHILD GEGEN KÄLTE UND GESTANK.


WO, IN ALLER WELT, BIN ICH HINGERATEN ?
STÜRMISCHE STURZSEEN
PEITSCHEN NASSE WANTEN,
EINE WELLE PACKT DEN BUG,
DREHT DAS SCHIFF IN WINDESEILE
IN DEN ZERMALMENDEN ORKAN.


SEGEL FETZEN,
PLANKEN SPLITTERN,
MENSCHEN SCHREIEN AN ZUM WIND,
VERKNÄULTE TROSSE ENTERN RASCH
DEN SCHÄUMENDEN NEPTUN -
ZUM ABSCHIED.


IN DEN MAHLSTROM TREIBT DER KAHN,
WIRBELT AUS DER ZEIT,
IM SOG RASANTER TALFAHRT
ERSCHEINT DIE WÜSTE -
ALS TATOO EINGEBRANNT
AUF MEINER HAUT.


VERDURSTEN FÜHLT DEN PULSSCHLAG NICHT
ZUM ZEITMASS OHNE WASSER,
GEFANGEN IN DER SANDUHR
RINNT UNAUFHÖRLICH
MEINE LEBENSZEIT
DAVON.


FOLGT DER TODESNÄHE
NICHT DAS HIRNGESPINST ?
FATA MORGANA !
LASS´ DIE LÜFTE FLIMMERN -
AM HORIZONT,
WO WOLKEN DIE KAMELE REITEN.


AUSGEDÖRRTE HITZE
TREIBT MICH DURCH DIE STRASSEN
DER BASARE,
ZUM KALTEN FLUSS,
AUS DEM GOLD ZU KRATZEN IST,
VON IDIOTEN.


IN DEN KLAREN WASSERN TREIBEN SCHOLLEN,
HINAB IN RICHTUNG MEER,
UNGEBRANNTER LEHM UND ROTE ERDE,
BEIZT DAS TREIBGUT -
AUF DER SUCHE,
NACH VERWENDBARKEIT.


WILDE FRATZEN HEULEN,
AUF MEINEM UNGEPFLEGTEN HAAR,
SKLAVEN TREIBEN REGEN HANDEL MIT SICH SELBST,
UND ELFENBEIN,
AN DER HASSKÜSTE,
VOLL SKELETTIERTER SEHNSUCHT.


WAS STRAFT UNS DIESE GRÜNE HÖLLE,
MIT HITZE, STICHEN, FIEBERWAHN ?
SCHLAG ICH UM MICH,
TREFFEN SCHARTIGE MACHETENHIEBE,
NUR ALTE GÖTTER -
FRÜHER ODER SPÄTER.


EINE TÜR WIRD AUFGERISSEN,
BLINZELND,
FASSE ICH DEN TAG,
SCHIER ERSCHROCKEN STARRT MAN MEINER,
UND ICH SUCHE UNWILLKÜRLICH -
TATOOS AUF DER HAUT.


12 / 09. 97
IK








MONDFINSTERNIS



IM KERNSCHATTEN VON SCHWESTER ERDE,
DÜMPELT BLASS,
DER MOND.


TROTZIG TAUCHT ER AB INS DUNKEL,
SEIN NARBIGES GESICHT,
ZÜRNEND DER SONNE.


WÜNSCHT ER SEINE ALTE BAHN,
EIGENSTÄNDIG,
EINER UNTER GLEICHEN ?


ALS WÄCHTER DIESER WELT
SUCHT ER SINN -
RUHIGES LICHT IN DÜSTERNIS.


IN KONGENIALER PARALLELE WAGT
DIE NATUR EIN GLEICHNIS
SONNE - MOND.


16 / 09. 97
IK








TOD



ALS BRUDER
DEINER EINSAMKEIT
KAM DER TOD,
AUCH -
FAND ER WENIG WORTE.


NUR, FREUND,
WARUM SOLCH HAST -
IN ANBETRACHT
DES UNVERMEIDLICHEN ?


ZWEIFELSOHNE,
IST TOD EIN EWIG SCHLAF -
BAR JEDER TRÄUME,
DENNOCH EBENE DES SEINS.


17 / 09. 97 ( In Erinnerung R.W. )
IK








REBELUTION



WAS GEHT IHR HIN - ZUR ANBETUNG
ABSTRAKTER MYSTIK !?


SCHWIRRENDE LIBELLEN,
METALLISCH GRÜN AN SCHIMMER,
SPRITZEN ERUPTIV
AUS DEM STACHEL DES SKORPIONENSCHWANZES
KASSANDRAS MAGMAGIFT
IN ZEICHEN UND SYMBOLE,
VERMISCHEN WISSENSCHAFT
MIT RELIGION
ZUR TRÜBEN BRÜHE.


ICH BIN FREI,
IM DENKEN SOWIESO.


18 / 09. 97
IK


*



INGO KARWATH

DAS ZERRISSENE GESICHT - GEDICHTBAND ( IK 1997 )

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

 


 

Vogel1