Lyric Book 2




GEDICHTBAND 2




DIE SALZKARAWANE








GESTOHLENER TRAUM



AN FERNEN UFERN STEHT EIN KIND,
GESTRANDET IN DEN TRÄUMEN,
ÜBER IHM VERGILBT DIE NACHT,
VERFÄNGT SICH IN DEN BÄUMEN.

FLUT UMSPÜLT DIE KLEINEN FÜSSE,
EINGEDRÜCKT IN FEUCHTEN SAND,
ES ZÖGERT NOCH, UND GEHT DANN DOCH
VORAN INS UNBEKANNTE LAND.

KINDLICHE BLICKE VOLLER BANGEN,
SCHAUEN IN DEN SPIEGEL,
DER SICH AUFTUT WEIT VON HIER,
NACH BRUCH DER TAUSEND SIEGEL.

SIEHT SICH SELBER IN DER SCHEIBE,
DOCH IST FRATZE AN GESTALT,
ZU IRGENDWAS ZERFLIESST DAS GANZE
UND KEIN WINK GEBIETET HALT.

FEINE GLIEDER KRÜMMEN SICH,
FINGER WERDEN SPEERE,
DER KOPF IST NUR NOCH FLASCHENHALS
ZUM BEHÄLTNIS VOLLER LEERE.

HAT WER SEINEN TRAUM GESTOHLEN,
PHANTASIEN INS GLAS GESPERRT ?
WIRD DAS ICH - DAVOR GESTELLT,
ABSTRUS INS GEGENTEIL VERZERRT ?

ES HEBT DEN BROCKEN KRANK AN WUT,
ZERSCHMETTERT SICH ZU SCHERBEN,
JEDOCH DER WURF VERHINDERT NICHT,
DAS EILENDE VERDERBEN.

BEHENDE LÄUFT DAS KIND ZUM MEER,
DER UMKEHR ZU ENTFLIEHN,
EINE STIMME WARNT IM WIND :
BLASPHEMIE WIRD NICHT VERZIEHN !

ANGESICHTS DES STILLEN WASSERS,
WIRD ALLER NERV GESCHÄNDET,
WIDERSCHEIN ZEIGT SCHEMENHAFT,
DAS KIND ZUM SPIEGELBILD GEWENDET.

MIT DEN TRÄUMEN GEHT DIE SEELE,
ES BLEIBT NUR EINE HÜLLE,
IN DER KALTEN GLANZFASSADE
SCHIMMERN KÖRPER OHNE FÜLLE.


08 / 10. 97
IK








DAS SCHWARZE BOOT



UNTEN, IM FLUSSE, TREIBT EIN BOOT,
FÜHRUNGSLOS,
DOCH ZIELGERICHTET IN DEN SCHNELLEN,
HIN ZUM ABGRUND.

HIER VON OBEN, VOM PLATEAU,
ZEIGT SICH DER WILDE KAMPF,
SCHLINGERND, TREIBEND, SCHLÄGT DER KAHN
MIT SPLITTERND SPANTEN
AN DIE FELSEN.

KONTRAST,
EIN SCHWARZER RUMPF
IM LAUEN HERBST,
ZUM FARBENRAUSCH
DER BÄUME LINKS UND RECHTS.

GISCHT SPRITZT ÜBER
IN DAS HECK
VOLLER SCHWERER FELLE,
ODER IST DER SCHATTEN DORT
GAR EIN TRUNKNER FISCHER ?

DA STÜRZT DIE ARCHE IN DEN FALL
UND IST NICHT MEHR ZU RETTEN,
DUMPFES RAUSCHEN SCHLUCKT
DEN SCHREI,
WENN ES IHN DENN GAB.

SPÄTER DANN, IN RUHIG WASSER,
SCHWIMMT EIN SCHWARZLACKIERTES HOLZ,
VIELLEICHT LIEGT IRGENDWO,
OBERHALB IM KALTEN FLUSS,
EIN ANGLER -
IN DEN BUNTEN WÄLDERN CANADAS.








WIE EIN HAAR IM WIND



MANCHESMAL, IN MEINEM GEISTE,
BIN ICH LEICHT, SO FREI,
UND GEDANKEN FLIEGEN
WIE EIN HAAR IM WIND.

MITUNTER ABER TAUCHEN JENE
IN GRAUES ZÄHES BLEI,
ZIEHEN MEINEN KOPF IN ZWÄNGE,
DIE ICH NICHT HABEN WILL.


10 / 10. 97
IK








DIE SALZKARAWANE



HOCH AUS MALIS NORDEN
KOMMT DIE KARWANE,
WANDERT MÜDE
IM SAHEL,
DROMEDAR UM DROMEDAR.

HINTER DUNST UND SCHLEIERN,
SINKT DIE ROTE SCHEIBE
RASEND SCHNELL,
ZUR BITTERKALTEN NACHT
SAHARA.

SPÄT AM ABEND,
BERGEN TUAREG IN SCHWARZEN KLEIDERN,
WEISSE BLÖCKE,
VON GESCHUNDNEN SCHMALEN FLANKEN
UNGEHALTNER WÜSTENSCHIFFE.

IM SAND VERSTREUT,
DIE TIERE,
GEFESSELT AN DEN BEINEN,
ABER FREI VON SCHWERER LAST,
SALZ AUS TAOUBENNI.

SKELETTE
IN DEN DÜNEN,
WÄGEN PARADOX DEN WERT,
TEURER NOCH ALS WASSER,
IN UNTRINKBAREM GOLD.

AM FEUER AUS KAMELDUNG,
TRINKEN MÄNNER
GRÜNEN TEE,
DEBATTIEREN IHREN WEG,
NACH TIMBUKTU.








EWIGE VERGÄNGLICHKEIT



ICH NEHME ABSCHIED VON DER KINDHEIT,
DIE SCHIER UNENDLICH UND BUNT,
UM DEN EILZUG MEINER JUGEND ZU ERREICHEN.

ICH NEHME ABSCHIED VON DEN BESTEN ZEITEN,
WENN SIE SCHON VORBEI,
BEGEB MICH IN DIE STRUDEL RASCHER FAHRT.

ICH NEHME ABSCHIED VON MIR SELBST,
VOM SEELENLOSEN STAUB,
UND TREIBE ZWISCHEN ALTEN SCHERBEN ZUM NEUEN ANBEGINN ?


13 / 10. 97
IK








BATAVIA



DEM STURM GERADE NOCH ENTRONNEN,
ANKERT UNSER SCHIFF
VOR BATAVIA.
ALLES WASSER IST VERDORBEN,
UND ZWIEBACK MADIG WIE DER KAHN.

AN LANDGANG KAUM ZU DENKEN,
IN DIE ERSTICKTE STADT,
FAULENDE GERÜCHE WEHN HERÜBER,
AUS FIEBER, SUMPF UND HITZE -
DEN TOTENGRÄBERN HIER.

MEINE INSTRUMENTE SIND VERLOREN,
DIE TAKELAGEN HÄNGEN SCHLAFF,
IN TAVERNEN NAH BEIM HAFEN
GEHT DIE HEUER
IN LEGENDEN ÜBER BORD.

FASELEI BETRUNKENER
VON GRASEGRÜNEN TÜMPELN,
MIT KROKODILEN BÄUCHLINGS,
ZWISCHEN BLAUEN ROSEN,
DEN UNVORSICHTIGEN AM GENICK.

ELEFANTENKÜHE TANZEN IHREN WEG
IN MONDBESCHIENER NACHT
ZUM FRIEDHOF VOLLER ELFENBEIN.
NUR GESCHWÄTZ -
WIE VOM GOLDE SALOMONS !

EINSAM STEHE ICH AM PIER,
HINTER MIR DIE MORSCHE LISA,
DEN SEESACK ÜBER MEINER LINKE SCHULTER,
BRECH´ ICH PFEIFEND AUF,
INS UNBERÜHRTE LAND.








FRÜHSTÜCK



BEQUEM IN WEICHEN STÜHLEN
SITZEN WIR AUF DER TERASSE NAH AM STRAND,
EIN LAUER WIND BEMALT
LEISES GEZWITSCHER NETTER GÄSTE
ZUM FRÜHBUFFET IM PALMENGARTEN,
MIT BLÜTENDUFT UND STIL.

AM GEDECKTEN TISCH ERWARTEN UNS
ZWEI EXOTISCH KLEINE KÄTZCHEN,
WECHSELN HINTERSINNIG
MIT DEN FARBEN DER SERVIETTEN,
VON HIMMELSBLAU ZUM BUNTEN SPIEL DER FRÜCHTE,
JEDEN MORGEN IHRE LAUNEN NEU.


20 / 10. 97
IK








MÜNDUNGSFEUER



ROTES RINNSAL IN DEN WIESEN
MISCHT SICH MIT SAND UND GRAS,
WILL AM WEGESENDE
IN EINS DER BÄCHE MÜNDEN.

MAGISCH DUNKLES PURPUR
FLIESST DURCH TIEFE FURCHEN,
VON SCHWERER LAST GEZOGEN,
VEREINIGT SICH DER STROM.

FONTÄNEN SPRINGEN ÜBER,
IN DEN STAUB DER FELDER,
KEINE MEERE, KEINE SEEN
BARGEN JEMALS SOLCHE GLUT.

SO SPIEGELT SICH IM HIMMEL,
ABENDGLANZ IN FLAMMEN,
GEDUCKTE WELLEN BRENNEN
WIE ZIEGELFARBNER LEHM.

EIN ZUCKEN IN DER FERNE,
VERRÄT NACH LANGER ZEIT,
DAS FERNE BÖSE GROLLEN
ALS FLIEHENDEN GEWITTERSTURM.

ALLES TOSEN SCHEINT VERSCHLUCKT,
DUNKLES WASSER WIEDER KLAR,
LEBEN RINNT ZUR TOTENSTARRE
BLEICHEND IN DEN FLUSS.








PYRRHUS



PYRRHUS´ SIEGE GLÄNZEN,
IN DEN HELMEN SEINER TOTEN HEERE,
WIE MATTE SONNENSTRAHLEN OHNE KRAFT.

DEM WAHNSINN ZU BEGEGNEN,
BLEIBT WOHL NUR
AUFGABE FÜR SYSIPHUS.

20 / 10. 97
IK








NATUR



AUSGEWOGEN WURDE DIESE WELT ERSCHAFFEN.

FEINER NOCH BEMESSEN ALS VON APOTHEKERS WAAGE,
MIT GEWICHTEN NUR IN GRAN.

ÄNDERUNGEN IN DEN SCHALEN STIMMT DIE GROSSE HARFE
ZU ZARTEN SAITEN DER NATUR.

BLOSS EINER BALANCIERT AUF GROBGEDREHTEN STRICKEN SEINER SELBST,
UND IST DABEI NICHT SCHWINDELFREI.








DIJERIDU



MEINE PHANTASIE
IST EIN VERRÜCKTER HUND,
MIT EINGEFÄRBTEM BUNTEN FELL,
IN DEN WEISEN TRÄNEN MEINER TRÄUME
SCHWIMMT ER JAULEND
IN DEN VON DUMMHEIT DIESER WELT GESCHLAGNEN WELLEN.

DIE AUSSENSEITER
NEBEN MIR, LINKS WIE RECHTS,
UNBEWEGLICH EINGEPRESST IM ÄUSSEREN DER RINGE DES SATURN,
DREHEN SICH ALS PERIPHERE ZENTRIFUGE
UM DAS KOLOSSALE ZENTRUM
DER IDIOTEN.

ICH BIN DAS WÜSTENPFERD MIT REIFGEFRORNEN SCHWEIF,
GALOPPIERE DURCH DAS TRAUMLAND,
MEINE NÜSTERN BLÄHEN SICH,
UND STOSSEN KALTE NEBEL
IN DEN HOHLEN KLANG
DES DIJERIDU.








MOCHA ARABICUM



IST ES WAHNSINN,
IST ES WAHR ?
VOR MIR LIEGT VERSUNKEN,
DAS ALTE KÖNIGREICH.

SAND WEHT VON DEN DÜNEN
UM DIE SÄULENFÜSSE,
PFORTEN RUFEN MEINER
ZUM TEMPEL DER VERGANGENHEIT.

KÖNIGIN VON SABA,
GALTEN DIESE LÖWEN DIR,
GING VON HIER DEIN TROSS
ZUM HOFE KÖNIG SALOMO ?

VERSCHÜTTET IN ARABIEN,
SCHÖNES TIMNI,
MYSTISCHE LEGENDEN
HARREN DEINER WIEDERKEHR.

WEIHRAUCH IN DEN STRASSEN,
SANAA BIS MOCHA,
UNTER GEHEIMNISSEN VERBORGEN,
SAGENHAFTER ORIENT.


03 / 11. 97
IK








 IRRLICHTER



IRRLICHTER
SIND IN MEINEM KOPF GEDRUNGEN
UND SCHWIRREN ÜBER ALLEN SINNEN - IM SUMPFE TAUBER OHREN.

DRUM SCHAUE
NIEMALS IN DIE SONNE,
BERÜHRE IHRE STRAHLEN NICHT MIT LEEREN WORTEN !

MEINE AUGEN
MÜSSEN SCHLAFEN,
SIE SIND DIE FLINTENLÄUFE DES VERSTANDES.

ICH HABE MEINEN MUND VERLOREN,
ES LOHNT NICHT MEHR DAS REDEN.
KOMMT MIR DENNOCH NICHT ZU NAH, IHR BLINDEN STIMMEN !


( Gedichte entstehen nicht, sie sind. )


10 / 11. 97
IK








KALTER WEG



FOLGE MEINEN SPUREN,
AUF DEM KALTEN WEG -
ÜBER FEINEN SAND,
DEN SEEWIND SCHARF IM NACKEN.

FRAG MICH NACH DEN DINGEN,
DIE DIR UNBEKANNT.
ALTES LAUB UNTER UNSERM SCHRITT,
KNIRSCHT WIE FERNE ZEIT.

SIEH DIE VILLEN,
HINTER SCHMIEDEEISERN TOREN,
IHRE TRÜBEN FENSTER BLICKEN
AUF VERSUNKNE TRÄUME.

ERKENNE VOR DEN ZÄUNEN
DEINE WAHREN WEG,
MITUNTER FINDEST DU DEN PASS
IN UNGEAHNTEN HÖHN.

SCHAUDRE NICHT,
OB EISIG KLAREN LICHTS,
AN KALTEN TAGEN IST DER BLAUE HIMMEL
VERFÜHRUNG PUR.

VERTRAUE MIR,
NACH ALL DEM BANGEN,
UND SCHLIESSE DEINE AUGEN,
AM ENDE DEINES KREISES.


24 / 11. 97
IK








OASE DER STILLE



DER WIND IN MIR IST ABGEFLAUT
VOR DER HÖLZERNEN VERANDA,
ICH NEHM´ IHN AUF, DEN WILDEN REGEN,
DER AUF DEM GELÄNDER TANZT.

KLEINE AUGEN DREHEN IN MICH,
UND LESEN IM DIFFUSEN LICHT,
MEIN NACHDENKLICHER GEIST
SCHAUKELT TRÄGE IN DEN SEILEN.

ERMÜDUNG GREIFT NACH MEINEN BEINEN,
ZIEHT MICH IN VERWIRRTE SICHT,
STILLE SCHREIT MICH RYTHMISCH AN,
BEIM ÜBERGANG ZUM TRAUM.

EIN KREBS ZUPFT AN DEN BLÄTTERN
SÜSSER BLÜTEN VOLLER BIENEN,
WELSE WOLLEN HUNDE FANGEN,
BESCHÜTZT VON DIEBEN IN DER NACHT.

WO IST WAHRHEIT, WAS IST TRUG ?



( Rebellionen sterben jung und einsam. )


02 / 12. 97
IK








ROXANNE



HE, ROXANNE,
BIST DU AUS FLEISCH UND BLUT,
SO EBENMÄSSIG WIE DU SCHEINST,
ODER SPIELEN MIT UNS GÖTTER ?

ROXANNE,
VERSUCHUNG HEIKLER NÄCHTE,
WER FORMTE DEINEN KÖRPER,
UND GAB DIR DIESEN BLICK ?

KANNST DU, ROXANNE,
NUR EINEM MANN GEHÖREN,
BLEIBST DU HURE ODER HEILIGE,
ODER ALEXANDERS KÖNIGIN ?

ROXANNE,
DIR ZU EHREN GIBT ES KRIEGE,
MIMST DU NUR DAS LAMM,
ZUM BÄNDIGEN DER WÖLFE ?

WAS IST, ROXANNE,
VERBERGE DEINE STOLZ,
UND SAGE MIR,
WIE LAUTET DIE MISSION.



( Jede Kultur kennt ihre Peinlichkeiten, nur wer ohne ist; hat auch keine Kultur. )


03 / 12. 97
IK








ZWEI MUSIKANTEN





I ERSTARRTES LÄCHELN*



IN KALTER STRASSE
STEHT EIN MANN,
SEIN LÄCHELN IST GEFROREN.

ER DRANGSALIERT
DIE ZIEHHARMONIKA,
MIT LANGEZOGNEN TÖNEN.

SEIN MUND BLEIBT FEST VERSCHLOSSEN,
SONST KOMMT
SEIN LÄCHELN IN GEFAHR.

STRAHLEND BLICKT ER IN GESICHTER
DES EILENDEN GEMENGES,
DOCH SEINE AUGEN LACHEN NICHT.

FÜR GROSCHEN MACHT ER DIENER,
VORM STUMMEN PUBLIKUM,
UND SPIELT NOCH WILDER AUF.

AM KALTEN ABEND
LÄSST EIN MANN
DIE STARRE MASKE FALLEN.








II BLUESMAN LEGEND



KLACKEND MALTRÄTIERT DER ABSATZ,
RYTHMISCH,
ABGELATSCHTE DIELEN IM GEVIERT.
AUF DEM STUHL,
DER ALTE SCHWARZE MANN, MIT HUT UND ANZUG,
ZUPFT SPARSAM AN DEN SAITEN,
FÜHLT DEN SPIRIT,
IM VERRAUCHTEN DUNKEL DIESES BLUES´.

SEINE AUGEN FEST VERSCHLOSSEN,
PRESST ER AUS DEM WULST DER LIPPEN,
FLIRREND HEISSE LUFT DURCH SEINE MUNDHARMONIKA.
DEN KOPF IM NACKEN,
ERZÄHLT ER SINGEND,
IN VIBRIEREND TIEFER STIMME,
VOM GEFÜHL, MIT HIMMELWÄRTS GERECKTEN ARMEN,
GOTT ZU SEHN, AM RAND DER WELT.


08* - 10 / 12. 97
IK








WINTERABEND



DRAUSSEN SENKT SICH BITTERKALTE NACHT,
DIE ENKEL DRÄNGT´S ZUM FEUER HIN MIT MACHT,
GROSSVATERS BUCH IN WARMEN HÄNDEN,
ERZÄHLT URALTE MÄRCHEN UND LEGENDEN.
ALLE KLEINEN, SCHON IM NACHTGEWANDE,
HOCKEN BEI IHM; STUMM DIE BANDE,
MIT GROSSEN AUGEN, OFFNEM MUNDE,
LAUSCHEN SIE GESPANNT,
DEN HELDEN AUS DEM MORGENLAND.

EIN EISIG WIND FEGT HEULEND IM KAMIN
UND FAUCHT,
FUNKEN STIEBEN, BRANDGERUCH,
IN GLIMMER WIRD DER RAUM GETAUCHT,
ERSCHROCKEN SIND SIE AUFGESPRUNGEN,
MIT RASEND HERZ SICH SELBST BEZWUNGEN,
LACHEND OB DER ANGST.

AN DEN SCHEIBEN BLÜHEN FREMDE BLUMEN,
WIE ZUM SCHERZ,
SCHAURIG SCHÖN,
UND FROSTIG BIS INS HERZ.

DER ALTE MANN SCHAUT RUHIG RUND,
IN SEINEM LEHNENSTUHLE,
UND STUPS, DER HUND,
HEBT KURZ DEN KOPF VON SEINEM PFUHLE,
OB MORLE, DIE VERWÖHNTE KATZE,
WIEDER WOHL NUR UNFUG TREIBT.

HUI, JETZT FLIEGT DIE TÜRE AUF,
SCHNEEGESTÖBER FOLGT IM LAUF,
KERZENLICHTER FLACKERN WILD UMHER,
TAUCHEN EIN INS SCHATTENMEER,
ZUCKEN HIN ZUR PFORTE,
JENEM DUNKLEM ORTE,
DEN DER VATER REISST MIT SEINER TANNE.

FAST WÄRE ER AUF GLATTEN STUFEN,
NOCH GESTÜRZT TROTZ WARNEND RUFEN,
DOCH DER PFOSTEN SAMT DER TÜRE,
VERHINDERT DIESE OVERTÜRE,
ACH, DIE KINDER JOHLEN, TANZEN, SPRINGEN,
EIN TOLLER BAUM MUSS IHNEN JETZT GELINGEN -
UND, AUS DER KÜCHE, BEI DER MUTTER,
RIECHT`S NACH KRINGELN, ZIMT UND BUTTER.


14 / 12. 97 ( 3. Advent )
IK








BEVOR ICH GING ( PERGAMON POEM )



BEVOR ICH GEHE,
DURCH DAS ISTHARTOR,
STEIGEN BILDER AUF, WIE WEIN IM SCHAUMIG BANN DER TRIEBE.

TAUSEND TODE WILL ICH LEIDEN,
IM LANDE DER UNMÖGLICHKEITEN,
WENN MIR KEIN WASSER MEHR ZU GLATT,
UM NICHT DARÜBER WEG ZU GEHN.

IN DER REDE BRECHE ICH DEN STAB,
UND REITE FORT
ZU GOLDNEN PFORTEN GELBER STÄDTE,
FLIRREND HEISS,
AM HORIZONT,
NUR DEM NEBEL IM VERTRAUEN,
UND
MASAKRIERTEN WÄCHTERN.

MUSS MEIN PFERD SICH ERST IN HÖLZER KLEIDEN, TROJER,
BEVOR ICH ZUGANG FINDE -
WER STAHL DIE SCHÖNE HELENA,
WER LIESS TELEMARK ALLEIN ?!

STRASSEN OHNE GOSSE,
EULENSPIEGEL TANZEN RINGELREIHN,
UM PFÜTZEN AUS ERBROCHNEM GOLD.
UNGLÜCKLICHER MINOS,
NACH PEST STINKT DEINE STADT,
HERABGESUNKEN ÜBERS JAHR,
ALS GABE HERER GÖTTER.

MIT LATERNE, STOLPERND,
BEGEHR´ ICH EINLASS IN DEN TURM,
WO HELDEN SITZEN, TROTZIG IN DER BANK,
WÜRFEL UND IHR GLÜCK BEZAHLEN
IN BLANKER WUT DES MINOTAURUS -
JÜNGLINGE UND JUNGFERN :
HÖRT IHR NICHT DEN RUF DES JASON
ZUR SCHLACHT UMS GOLDNE FLIESS ?!

ANGEWIDERT
DREHT MEIN MAGEN SEINE WÄNDE,
STÜRZT MIT MIR ZUR GASSE,
WO ICH WEITERWANKE,
DURCH DEN SUMPF AUS UNRAST
UND VERRÄTERISCHER SCHLANGENBRUT.

WEG VON DIESER STADT,
WEG VON DIESEM LAND,
VORBEI AN DEN DAHEIMGEBLIEBNEN,
MIT DER MASKE IHRES SELBSTBETRUGES
AUF DEN FIEBRIG DÜNNEN LIPPEN -
DIE SEHNSUCHT INS GEÄST GEHÄNGT,
UMLIEGEND,
DAMIT SIE JEDER SEHEN KANN,
DOCH EIGEN HÄNDEN UNERREICHBAR FERN.

EIN FREUND,
VERLIESS MICH SCHON IM DUNKEL MEINES WERDENS,
ALS GERADE WELTEN SICH VERFORMTEN,
ABER ER NICHT WISSEN WOLLTE
WAS STUMME REDEN,
LAUTE STILLE -
WAS RUHIGES GESCHREI, BEVOR ICH GING.

HÄMMERND BRECHEN DONNERSCHLÄGE,
ZERSCHMETTERN MEIN GEHÖR,
HIMMLISCHE POSAUNEN KÜNDEN HERMES AN,
DEN BOTEN,
IM GEFOLGE SPÖTTISCH DUMME IGNORANTEN,
FROH,
DEM HERRN ZU FOLGEN,
DER GRAD MÄCHTIG IST.

SEINE WORTE HÖR´ ICH NICHT,
DENN ICH BIN TAUB AUF EINEM OHR -
ÜBER PFADE LÄUFT MEIN WEG, DIE SONST KEINER NIMMT -
NICHT ENGELSZUNGEN,
NOCH LAUTES DONNERHALLEN,
BRINGEN AB MICH,
VOM GEMÄUER !

AMBROSIA, NEIN,
AUCH KEINE WEINE,
TRÜBEN MEIN RESPEKT,
ABER AUCH NICHT MEIN VERSTAND,
GEHT ES UM GLAUBE,
IM TRAUTEN LAND DER PHARISÄER,
SEI ER NOCH SO HEILIG GLÄNZEND SCHEIN -
BEKEHRT MICH NICHT !
BELEHRT MICH NICHT !
IHR STOLZEN, DUMMEN MÄNNER !
EREMIT FLIEH´ DEM GESCHWÄTZ,
UND KÄMPFER ZÜCK´ DEIN SCHWERT !

TREFF´ ICH JENEN AUF DER REISE,
DER MIR SAGEN KANN,
WOHIN ICH REITEN MUSS,
UM MEINEN HEISSEN GEIST ZU KÜHLEN
IM FLUSS,
DEN ES NICHT GIBT ?!

IHR HERREN FREMDER SONNEN,
BERGT IHR DEN SCHATZ
ZUR ENTFESSELUNG MEINES HIRNS
VON DEN SCHRANKEN DIESES SEINS ?

SOLL ICH TUN, WAS ANDERE BESTIMMEN -
IN MEINE AUGEN DINGE PFLANZEN,
DIE GAR NICHT SIND -
NUR WEIL DIE SOLCHEN MÄCHTIG
AN SCHREIERN IN DER WÜSTE SINAI ?
NEIN !

ICH SPÜR´ DEN RISS IM BILDE DER GLÜCKSELIGKEIT,
DA DER GESTANK UNSÄGLICH IST.
DIEN´ NICHT FREMDE GÖTTER AN
WIE LIEBESTOLLE WEIBER,
HERMES !
WILLST DU SCHAM WIE BLÜTENWEISSE BRÜSTE
REDUZIEREN AUF DEN TANZ DER TRIEBE,
ÄHNLICH DEINER LENDEN -
VERGISST DU NICHT -
DIE LIEBE,
DUMMER FREUND ?

AM WEGE STRANDEN WEISSE VASEN
VOLL BLAUEN EISES,
RAUSGESCHNITTEN AUS DEN GLETCHERZUNGEN
KÜHLER WAHRHEIT.

ÜBER MEINE BLANKEN FÜSSE
ABER LAUFEN
KREBSE MIT DEM FREMDEN DACH
AUS KALK,
VERFOLGT VOM SCHWIEGERVATER JASONS´,
DER MEDEA MIT SICH NAHM,
UNGEBETEN,
SAMT DEM WIDDERKLEIDE.

ACH, CIRCE, WÜRMER OHNE AUGEN
BETRACHTEN MICH,
UND GRÜNE AFFEN ZERREN AM GEMÜT,
ALTE WÄLDER WIEGEN SICH
ZUM ENDE DER GEZEITEN -
DU UNSICHTBARE KÖNIGIN DER NACHT
SAMMELST GIFT IN TRÜBEN KELCHEN,
DIE SACHT,
IM TÖDLICH GRELLEM WAHNE,
KEHLEN ABWÄRTS GLEITEN.

IM LANDE OHNE KÖNIG,
MAG HERRSCHER SEIN, WER WILL,
SELBST BRUDERMORD IST OPFER ZU GERING
AUF DEM ALTAR PERGAMON :
BEHALTE, HERMES,
DEINEN MARSCHALLSTAB,
INSIGNIE DER MACHT !

OH, NICHT ALTES PERGAMENT
RETTET UNTERGANG
WIE SCHANDE,
BABYLONISCHES GEZÄNK ZERSCHELLT DIE WAHRHEIT
AM GESTADE ALEXANDRIAS,
WO ANTIKE SCHRIFTENROLLEN BRENNEN,
IM WIDERSCHEIN
HUNDERTTAUSENDER PAPYRI.

ENTBLÖSST DER LAST AUS ANSPRUCH UND BEGIERDE,
TRAG ICH ALS PROVIANT
NUR FRAGEN MIT MIR FORT.
ICH HAB´ NICHT MAL BEMERKT,
WIE ALLE ANTWORT BEI MIR WAR,
ZU ANBEGINN,BEVOR ICH GING DURCHS ISHTARTOR.


17 / 12. 97
IK








HALTE AN



HALTE AN DIE FRÜHEN JAHRE,
SELBSTVERLIEBT,
UND SCHAU´ DICH AN, NARZISS,
BLEIB STEHEN AN DER STELLE,
WO DU IMMER JUNG UND SCHÖN,
ABER EWIG UNBELEHRT.

WARUM, GLAUBST DU, BIN ICH, WIE ICH BIN !
FRAG´ MICH NICHT -
NACH DEM WOHER, WOHIN,
SOLL ICH MICH AM ENDE SELBER FRAGEN,
WIE ALL DIE DINGE SIND,
DIE ICH NICHT TAT, DERWEIL DER TOD IM NAHEN WAR.


 ( Kritiker sind Leute, die ihr mangelndes Talent gern auch anderen teilhaftig werden lassen. )
( Schweinepriester ! )



29 / 12. 97
IK








IM REGEN



IM REGEN SPRING' ICH HIN UND HER,
HÄTT' GERN ANDERES IM SINN,
TROPFEN KITZELN MEINEN HALS,
NACH IHREM STURZ VOM KINN.

MAL MEHR, MAL WENIGER,
STÜRZEN FLUTEN ÜBER MICH,
IST MIR DOCH EGAL,
QUACKERTS AUCH IN MEINEN STRÜMPFEN.

SCHON LANGE DENKE ICH AN DICH,
AN DEINEN TANZ IM REGEN,
ICH HAB´ DICH LANG NICHT MEHR GESEHN,
DICH ZU TREFFEN, WÄRE SCHÖN - IM REGEN.


29 / 12. 97
IK








FLAMMEN AUS SAND



FEINSTER SAND BEFÜLLT
KOLBEN JENER UHR
DIE UNAUFHÖRLICH RINNT
IMMER AUF UND AB.

INS GLASVERLIES
BRICHT SONNE EIN,
NUN MUSS DIE WÜSTE BRENNEN,
IN FREIHEITSFEUERN.

HEISSER ATEM,
SCHMELZE QUARZ ZU SPIEGELN,
LASS´ DIE ALTE ZEIT AUFGLIMMEN -
DIE SCHON WAR.


30 / 12. 97
IK








DIE MUTTER MIT DEM KINDE



DIE JUNGE MUTTER HÄLT IHR KIND,
UMWICKELT VON DER DECKE,
LÄCHELT ZÄRTLICH UND LIEBKOST
DAS FRIEDLICH KLEINE DING.

BLONDE STRÄHNCHEN WIE DIE MAMA,
AUCH DIE BLAUEN ÄUGELEIN,
TRÄUMT ES, SELBSGERECHT UND SATT,
IM SCHUTZE DER GEBORGENHEIT.

DOCH DÜSTERNIS BEFÄLLT DIE MUTTER,
SIEHT IM SPIEGELBILD SICH SELBST,
VOLLER AHNUNG FÜR IHR KIND,
SPÜRT SIE NUR BITTERKEIT.


30 / 12. 97
IK








FLÖTENSPIEL



SCHILF UND BINSEN TEILE ICH,
HIN ZUM GRUND DES SEES,
AUF DER SUCHE NACH GERUCH,
SO MODRIG WIE DER TOD.

SEEERKRANKTE MÜCKEN,
NOCH IN GRÜNEN GRÄSERN WIMMERND,
SPRINGEN WIEDER OBENAUF,
IST WO WER AUF JAGD.

WOZU DIE HAST, SCHWEIGSAME WICHTE,
SCHAUT EUCH UM :
FARNE GLITZERN TAUBESOFFEN
IM MOOSDICKICHT.

WIEGEND HALME,
LAU IM WIND,
BRECH´ ICH ZUM INSTRUMENT,
BESINNLICHKEIT IM SINN.

PAN BLÄST MEINE FLÖTE,
UND ICH SITZ´ DABEI,
LASS´ MIR DAS SPIEL GEFALLEN,
STAUNEN IM GEHÖR.


30 / 12. 97
IK








MICMAC



FLAMMROTER WESTEN,
GELBLICHER SÜDEN,
WEISSER OSTEN,
SCHWARZ VERHANGNER NORDEN.

SEHEN SO DIE HIMMEL AUS ?

BLUTEND STIRBT DIE SONNE,
DOCH LEISE HOFFNUNG BLEIBT,
AUF UNBERÜHRTEN MORGEN,
NACH ENDLOS LANGER NACHT.


05 / 01. 98
 IK








LANGE ENDLOSE STRASSE



DIE STADT LIEGT HINTER MIR,
AN DER LANGEN STRASSE.
AUFGEROLLTES
BAND,
SCHNURGERADES BAND,
ICH SCHLENDERE,
MIT DER JACKE AUF DEM RÜCKEN,
AM RAND ENTLANG,
IMMER NUR DIE STRASSE RUNTER.

AUTOS ÜBERHOLEN MICH,
KOMMEN MIR ENTGEGEN,
STINKEN UND SIND LAUT,
ABER AUCH BUNTE PUNKTE AUF DEM WEG.

SEH´ ICH SIE NICHT,
HÖR´ ICH SIE,
KAUM UNMÖGLICH,
IHNEN ZU ENTGEHN,
NERVT DICH DAS GEBET,
OH HERR, BAR JEDER MODERNE ?

ICH LAUFE WEITER,
SO BEGEGNEN MIR,
DIE DINGE VOR DEM HORIZONT,
DIESEITS VIELER ILLUSIONEN,
IN NEU GESTELLTEN FRAGEN,
DIE LANGE SCHON IN ANTWORT SIND,
IN ORAKELN ODER SCHWÜREN,
DENNOCH UNBELEHRBAR,
IGNORANT,
JA FORTGEWORFEN,
IN DEN STAUB AM STRASSENRAND.

ACH, MEINE JEANS SIND FLECKIG,
ZERISSEN SCHLEIFT DER SAUM,
IM DRECK.
LANGE HAARE, SCHWARZ,
WEHN IN DAS GESICHT, FALTENLOS,
STEINE DRÜCKEN DURCH DIE -
STIEFEL,
DEREN LEDER SCHLANGEN SIND,
AUS DER WÜSTE
VOR UND HINTER MIR.
FAHR´ WEITER, MANN IM LASTER,
DANK DEM ANGEBOT !

ALLE TREFF´ ICH WIEDER,
ZERBEULT,
OB NAGELNEU,
MANCHE SIND NICHT MEHR ALLEIN,
ABER IHRE AUTOS WINZIG,
UND DIE GROSSEN KISTEN ÜBERLADEN,
ÜBER PLATTEN REIFEN
TRANSPORTIEREN
SIE SICH -
SELBST ZU HURE.

TROTZDEM,
IN DER FERNE,
JENE UNHEIMLICHEN BERGE,
STEHEN UNVERRÜCKBAR FEST
KOMMEN KEINEN SCHRITT MEHR NÄHER,
ALS LIEFEN SIE DAVON,
UM DIE EINE SONNE
ZU VERSTEHN,
DIE JEDEN TAG
INS BODENLOSE SINKT,
HINTER IHNEN.

OB DENN DORT DIE STRASSE ENDET,
AN DEM PUNKT,
DEN ICH ERREICHE ?

BEKANNTE WINKEN AUS DEN WAGEN,
FEINDE BLICKEN WEG,
GEBEN GAS,
NUR FREUNDE HALTEN AN.

AUF LANGEN WEGEN,
LANGEN, ENDLOS LANGEN STRASSEN,
HIELT KEINER AN,
NUR DER FAHRER MIT DEM LASTER,
WEGGESCHICKT VON MIR.

DANN,
DOCH NOCH -
RASTPLATZ KAUM ZU NENNEN,
NUR EIN FLECKEN FESTGETRETNEN STAUBS,
STEHT ÜBERRASCHEND
JENE BLUME.

HYAZINTH,
STIGMA ALLER TOTEN FREUNDE,
SELBST ERSCHLAGEN,
NIRGENDWO.


06 / 01. 98
IK
 

 

 

 

 

 

 

ABGRUND



DER HIMMEL STAND IN FLAMMEN,
WIE MEINE TRÄUME TROGEN,
UND ICH IN TIEFE SCHLUCHTEN GLITT,
ICH RISS AN GRÄSERN,
RUTSCHTE KOPFLOS ÜBER SAND,
DOCH FAND ICH KEINEN HALT.

GLITSCHIGE FELSEN IN DEN MOOREN,
VERWEHRTEN MIR DEN GRIFF,
ICH SCHAU HINAUF,
UND SINKE TIEFER,
DAS HIMMELFEUER WÄRMT NICHT MEHR,
SEINE FLAMMEN WERDEN SILBER.

MEINE HÄNDE SIND VOLL BLUT,
ZERRISSEN ALLE KLEIDER,
WESWEGEN DÜRSTET MIR DER SINN,
IN DIESE WELTEN ABZUGLEITEN ?
UNSAGBAR ABSURDER GEGENSATZ
ZUM SCHÖNEN, FALSCHEN SCHEIN.


07 / 01. 98
IK







SIGN UP



WO ZERISSEN WOLKEN,
SPANNT EIN HERRLICH GRELLER BOGEN
VON OST NACH WEST,
ZIEHT PLÖTZLICH SCHÖNE BÄNDER,
ÜBERSTRAHLE UNS PERSEPOLIS.

EIN MEER AUS BUNTEN PRISMEN,
IN DEN REGEN EINGESTICKT,
ZUM FARBENWAHN ERHITZTES ZEICHEN,
SILBERSTREIF AM HORIZONT,
UNTER UNS NEKROPOLIS.


07 / 01. 98
IK








CIRCLE



FALLS ICH AM ENDE MEINER TAGE,
WIDER JENEN ZIRKEL GEH´,
ZUM ANFANGSPUNKT,
WERD ICH WOHL DIE TAUSEND FRAGEN SPÜREN,
UNERLEDIGT,
BRENNEND AUF DER HAUT.

LASS MICH DANN ZU KEINER
MIT DEN SCHULTERN ZUCKEN,
DARUM -
ICH OHNE ANTWORT BIN,
WEIL ICH GAR NICHT FRAGTE.

ALLE ANTWORT WILL ICH AUSPROBIEREN,
UND SELBER FRAGER SEIN,
DIE SPÄTE ANTWORT NÜTZT MIR NICHT,
NICHT DIE VON ANDER LEUTE,
SELBER -
MUSS ICH ANTWORT FINDEN,
KANN SPÄTER SIE BEDENKEN.








THE JIM



KENNST DU DIE KLEINE PINTE,
WO ALLES WINDSCHIEF IST ?
DUNST WEHT DURCH DEN RAUM,
IM LUFTZUG FLATTERT LÄRM,
GLÄSER KLRREN UNAUFHÖRLICH,
SCHON EWIG JAHRE LANG.

TRINKE SCHALES BIER IM JIM,
VORN AM ALTEN TRESEN,
DIE BUNTEN FLASCHEN ÜBER MIR,
STAMMEN AUS DER ZEIT,
DA KEINER MIT MIR TRANK,
NUR ÜBER MICH HINWEG.

MUSIK KOMMT, WAS WEISS ICH WOHER,
BLEIBT STAUBIG WIE DAS TRÜBE BIER,
ICH KOMME GERN HIERHER,
UND HÖRE LÄCHELND ZU,
WENN SIE ERZÄHLEN,
IN GEDANKEN ÜBER SICH,
DIE SPINNER.


14 / 01. 98
IK








DIE WAHNSINNIGEN



LAUF, LAUF, LAUF,
BLICKE NICHT NACH HINTEN,
VORWÄRTS,
IMMER, IMMER VORWÄRTS
LAUF !

HASTE, SPRINGE, STÜRZE NICHT,
ES GIBT VIEL ZU SEHN,
VERPASSE NICHTS,
DU NARR,
HASTE,
SCHLAFE BLOSS NICHT EIN,
HALTE DIE AUGEN AUF !

EILE, EILE, SEI NICHT LAHM,
FRISS DIE BILDER AUF,
DIE UM DICH RASEN,
UNVERDAUT,
SCHAU NUR FLÜCHTIG,
MEHR ZEIT BLEIBT DIR NICHT,
DRUM HASTE,
SPUCK SIE ACHTLOS AUS !

WEITER, WEITER, WEITER,
TREIBE OHNE HALT,
GENUSS IST KRAMPF,
IM LAUF
EILENDER ASKETEN,
LAUF, LAUF,
STOLPER NICHT,
ÜBER HANGELNDE GEDANKEN.

LAUF, LAUF, LAUF,
OHNE UMWEG,
AUF DEN ABGRUND HIN,
WO KEIN HASTEN IST.

ENDLICH.
STILLE. PAUSE. RUHE.

IHR VOLLIDIOTEN !


15 / 01. 98
IK


( Kunstwert mißt sich nicht am Preis des Käufers sondern an der Zeit. )








DIE LETZTE INSTANZ



FÜHRT IN VERSUCHUNG MICH,
ZEIT WOHL NUR BEIZEITEN,
AUFGESTACHELT DURCH DIE STUNDE,
DIE MIR IST, GESCHENKT,
DOCH NICHT GEBORGT, MEIN FREUND.

RICHTE MIT DIR SELBST,
IM SCHATTEN ALLER ZWEIFEL,
DEN FUSS IM SPALT DER OFFNEN TÜR,
NUR EINMAL,
SCHLÄGT SIE ZU, FÜR IMMER.


15 / 01. 98
IK


( Leben ist Geschehen während des Wartens auf den Tod. )








TANZ AUF DEM FEUER



WIRBELN FUNKEN AUF UND STIEBEN,
ZISCHEND DURCH DIE HITZE,
FÜSSE DIE IM FIEBERWAHN ZERTRETEN,
SPÜREN TRANCE,
IN WEISSER ASCHE GLUT.

KNISTERN STÖRT DIE STILLE,
IM AUGE DES ORKAN,
STILLE HITZE,
HITZE STILLE,
ÄNGSTE BRENNEN GLANZ INS AUGE.
SO RICHTIG HEISS,
BLOSS AUSSERHALB DER FLAMMEN.

TANZE IRRWISCH,
SPRINGE, WIRBLE IM STAKKATO !
SCHREIE FORMEN SICH IM SCHLUND,
STEIGEN AUF IM RAUCH,
DOCH IM RUF IST
SCHWEIGEN,
NUR BEWEGTES LICHT.
VERBRENNE NICHT, SCHAMANE !


19 / 01. 98
IK








SEEMANNS TRAUM



DER STILLE MANN DORT IN GEDANKEN,
IM SEGELANZUG AUF DEN PLANKEN,
TRÄUMT VON SPÄSSEN IN TAVERNEN,
VON FAHRTEN WEG IN WEITE FERNEN,
STIERT UNGEDULDIG HIN ZUM MAST,
AHOI, DU SCHIFF, WIRF AB DIE LAST,
SEGLE LOS, IM ZUG DER STÜRME,
HOCH UND AB DIE WELLENTÜRME.

WOHIN FÄHRST DU, TÄTOWIERTE MANN ?
DOCH SEIN GEHEIMNISVOLLER BLICK
ERSTICHT DIE FRAGE.
RASSELND ZIEHT DER ANKER
DIE ROSTIG KETTE AUF DEN GRUND.

LICHT KITZELT AM TRAUERSPIEL,
FRISST DIE SCHATTEN AUF.
FAST HUSCHT EIN LÄCHELN ÜBER SEINE AUGEN,
ODER WAR ES SONNE NUR,
IN NEUGIER OB DER STARRE ?

ALLE MÄNNER BLASS VOR SCHRECK,
KEINER RÜHRT SICH JETZT VON DECK,
SEGELTUCH WIRD ZUGESCHLAGEN,
DER MAAT DARIN NACH LEE GETRAGEN,
UNTER WORTEN GEGEN GEISTER,
STICHT DER ALTE SEGELMEISTER
EIN LETZTES MAL, DIE NADEL BLINKT,
BEVOR DER SACK INS ELEND SINKT.


23 / 01. 98
IK








 INCA GUANACO



KENNTNIS VON DEN STERNEN,
HEILKRAFT DER NATUR,
BERECHNUNG WEITER FERNEN,
WO IST DAS ALLES NUR ?

HOCH OBEN IN DEN ANDEN,
GEBAR DIE WELT EIN KIND,
ALS NOCH RUINEN STANDEN,
NAHM ES ZURÜCK DER WIND.


02 / 02.98
IK










LABYRINTH



OFFENE STRASSEN, KEIN DURCHDRINGEN,
ICH ERREICH DICH NICHT,
IM LABYRINTH.
SIE WEINT.
WAS SIND DEINE SORGEN ?

SIE IST EINE SCHLAFENDE BLUME, ERBLÜHT IM DUFTE IHRER SELBST,
GEFANGEN IN DEN ZWÄNGEN,
DER BETÖRUNG,
DER ZERSTÖRUNG,
TOTER WORTE.

ICH RUFE VERZWEIFFELT DEINEN NAMEN,
DOCH DU WACHST NICHT AUF,
SCHLÄFST ALLEINE OHNE TRÄUME,
SINKST INS NICHTS.

GEH NICHT FORT, WACH ENDLICH AUF,
LEICHTIGKEIT !
DER SCHWERE STURM IN DEINEM SCHLAF,
NIMMT DICH SONST FORT VON MIR.
DU MAGST DEN REIZ NICHT
DER VERBOTE.

NEUES IST DIR FREMD,
DEN SCHATTEN ÜBERSPRINGST DU NICHT,
DER DICH BEFREIT,
VOM LABYRINTH.
DOCH BEKANNTES IST DAS GESTERN.
ICH MUSS WEITER,
SEI FORSCHEND BEI MIR ODER BLEIBE WEG.

GINGEN WIR WIE FINDENDE,
HAND IN HAND,
IM WARMEN LABYRINTH,
SIND WIR JETZT NUR SUCHENDE,
GETRENNT,
IM EISIG KALTEN DURCHEINANDER.

SIE LEBT DAHIN UND STIRBT,
ALS STUMME OHNE AUGEN,
TRÄNEN RINNEN ÜBER IHREN STOLZ,
SO RUFT SIE MEINEN NAMEN,
AUS WEITER FERNE,
UND MEINT NICHT MICH, UND SIEHT MICH NICHT.


02 / 02. 98
IK









NICHT VON DIESER WELT I





JENSEITS DER KANOPISCHEN KRÜGE




ICH GEH FORT ( 1 )



NA ENDLICH,
RAUS AUS DIESER LÄHMUNG,
WEG VON FESSELN MEINER ZÄHMUNG,
ICH GEHE FORT,
KOMME NIE WIEDER,
ZUM GEIST DER KÄLTE,
DULDSAM VOR DEN DUMMEN.

MICH HÄLT HIER NICHTS,
IM LAND DER STUMMEN,
OHNE SINN
IST DIE SINNLOSIGKEIT,
DOCH IST MIR HOHN
NICHT LEBENSZWECK.

STIERT AUF HASS,
WAS ANDRE HABEN,
VERGESST DABEI EUCH SELBST,
IN ENTWICKLUNG,
NUR ZERSTÜCKLUNG
FREMDER FREUDEN TOTENSTATT.
WAS SOLL DAS ?








DURCHBRUCH ( 2 )



MITUNTER MUSS ICH
PULVER SPÜREN ZWISCHEN MEINEN FINGERN,
EXPLOSIVER KRÄFTE WEGEN.
DIE NOVA IMPLODIERT IN MEINEM KOPF,
ZUM BRENNNEND STIGMA ODER
FLAMMENDEN FANAL,
IM SOG DER SCHWARZEN LÖCHER,
VERWIRBELT ALLES, WAS ICH WUSSTE.

MASSE REDUZIERT SICH AUF DEN KERN
GEBALLTER WUCHT,
IM STRUDEL DREHEN SICH DIE DINGE,
UNVORSTELLBAR,
ZUM GEGENLICHT DES NICHTS.
AUF DER ANDERN SEITE
ERWACHT MEIN DENKEN NEU,
SORTIERT SICH AUS DEM KNÄUL,
BEFREIT VON ALLEN ZWÄNGEN DIESER ZEIT.








SCHEIDEWEG ( 3 )



AM BACHLAUF SITZE ICH, VERZAUBERT,
WERFE KIESEL IN SEIN BETT,
WELLEN,
DIE SIE SCHLAGEN,
WERDE ICH NIE WIEDERSEHN,
SIE ZIEHN VORÜBER,
ENTSCHWINDEN MEINEN BLICKEN.

NUR EIN AUGENBLICK GIBT MIR DIE ZEIT,
ALLE GUNST ZU NUTZEN,
FASS ICH SIE,
TRÜBEN WOLKEN MEINEN SINN,
BEDENKE DOCH, WAS ICH NICHT TUE,
GEHÖRT MIR NIMMERMEHR.

KANN ICH DIE GRENZEN ÜBERTRETEN,
HINTER DEINE PLASPHEMIE, HERODES ?
UNMORAL,
ABGEGOLTEN VOR DER ZEIT,
VERDIRBT DEN ZWECK,
WANDELT REINHEIT IN SCHIMÄREN.

NEBEN MIR, IM GRAS, EIN ALTER MANN,
MURMELT LEISE WIE DER BACH :
VERSÄUM´ DICH NICHT,
SEI´ SELBER KIESEL,
TREIBE FORT,
GEDANKEN SIND NUR WELLENREITER,
AUS NEBEL UND GESPINST.

GEH DEN WEG,
UND TAUCHE IN DEN FLUSS,
BERÜHRE JEDE WELLE,
WOHIN SICH DICH AUCH TRÄGT,
MIT SONNENSTRAHLEN SUCHE GRUND,
IN KÄLTE ODER WAHN.

LASS´ MORAL DEN SITTENWÄCHTERN,
TOT IM KEIME IHRER SELBST,
ALLES IM FLUSS, JUNGER HERODES,
ER GIBT ES DIR UND NIMMT ES WIEDER MIT.

DER ALTE IST ENTSCHWUNDEN,
SEIN ANTLITZ SCHIEN VERTRAUT,
GRÜBELND SUCHE ICH NACH ANTWORT,
BEIM BLICK INS KALTE WASSER.
EIN LÄCHELN STREICHELT MEIN GESICHT,
SO LAUF ICH SCHNELL DAVON.


17 / 02. 98
IK









NICHT VON DIESER WELT II





TROJANISCHE PFERDE




VIELLEICHT ( 1 )



VIELLEICHT,
WIE ICH ALS KIND GEBOREN,
LAG SCHON DASEIN HINTER MIR,
IRGENDWO ZUVOR VERBORGEN,
ALS BLÜTE, FELSEN ODER TIER.

VIELLEICHT,
BIN ICH BEOBACHTET,
AUS UNGEAHNTER FERNE,
SOLL ALLE EBENEN ERKUNDEN,
ALS STETER FREUND DER STERNE.

VIELLEICHT,
AM ENDE MEINER IRDISCHKEIT,
WECHSELT NUR DIE FORM,
DANN DRIFTE ICH IN FREIE WELTEN,
STATT ANZUGEHN IM STURM.








MASKERADE ( 2 )



SIEBEN MONDE ÜBER MIR,
ALS LICHTER AUF DER SEELE,
LANGE SCHATTEN WANDERN
ENTLANG AM HIEROGLYPHEN OBELISK.

WELTEN VOLLER FABELWESEN,
MASKEN AUS VENEDIG,
GRELL ZWAR, ABER WENIG OFFEN,
GEHEUCHELT IN DIE DÜSTERNIS.

PIROT SCHEINT LUSTIG, NICHTS DAGEGEN,
AM ENDE DOCH, ICH AHNTE ES,
ENTLEDIGT ER SICH SEINER TREU,
MIT DEM STICH INS HERZ.

VERBORGENE IM MASKENBALL,
GESEHEN SIND SIE WOHL,
MASKEN DECKEN NICHT, SIE ZEIGEN,
GESINNUNG OFFENBAR.


25 / 02. 98
IK








OVERDOSE ( 3 )


IRGENDWAS FLIESST IN MICH EIN,
MEIN FALSCHER GLAUBE SCHWINDET,
GENE ORDNEN DEN DISSENZ,
LAUNISCH DUMM,
ZUR AUSSENWELT.

ICH BIN NICHT VON HIER,
NICHT VON DIESER WELT.

JA, ICH FLIEGE DURCH DAS STERNENTOR,
LASSE MEINE STIMME BRENNEN,
ENTFESSELT DUMPFER ZWÄNGE.

KOSMISCHE WEITEN NÄHERN SICH,
BERÜHREN MEINE HAUT,
HOLT MICH AB ZUR STERNENFAHRT,
WEG VON HIER,
NUR NACH ZUHAUS.








HÖLLENFAHRT ( 4 )



TRUDELND STÜRZT DIE STRASSE
UNTER MEINEN FÜSSEN
ABWÄRTS HIN ZUM STEG,
ÜBERMUT HEISST WOHL MEIN FREUND
BEIM SATTELN DIESES KAHNS,
AUS NASSEN FAULEN SPANTEN.

ALTER KAHN, MORSCHER KAHN,
WO WAR MEIN VERSTAND,
OHNE RUDER, OHNE PINNE
NUR HEITRER STIMMUNG AUSGESETZT,
FAHR ICH GEMÜTLICH IN DIE NACHT -
UND KENNE KEINE SORGEN.

WÄREN SICHER GUTE KARTEN
WIE IN SELIG RUNDE,
SPIELTE IRGENDWER MEIN MAAT.

STOCKDUSTER IN DIE HÖLLE
SCHAUKELT DER VERSTAND,
BESOFFEN DIRIGIERT.

MEINE NERVEN TAUGEN NICHT
ZUM SEILE DER ERRETTUNG,
RUFEND STEHE ICH IM BOOT,
SCHON KIPPT IM WILDEN SCHAUKELN
DAS DING SAMT ALLEN ELENDS UM.








BLÜTEN DES ZORNS



SIND DIE WORTE SCHON VERDORBEN,
EHE SIE MEIN OHR ERREICHEN,
WILL ICH SIE NICHT WISSEN.

VERLORNES GUT IM KOPF DER ANDERN,
BEGINNT ALS BÖSES BLUT ZU WANDERN,
FURCHTBARER WORTE SAAT IN WUT,
TREIBT DORNEN AUS WIE TOLLE BRUT.

WAS WAHRHEIT ODER LÜGE,
ZÄHLT DEM DRITTEN NICHT,
EINGEBRANNTES MAL,
AUFGEDRÜCKT VON UNBEKANNT,
IST NAH, GANZ NAH.

WER DARAN BEISSEN WILL,
DER ZERRT,
WER REDEN FÜHRT GANZ SCHRILL,
DER SPERRT,
ZORN IN EINEN KÄFIG SELBSTERWÄHLTER RASEREI,
FERN DER FRECHHEIT,
ALLER OHR ZU LEIHEN,
ENG GENUG EIGNEN VERRATS.

SCHWANGER GIFT IM SUMPF
SOLL STRAFEN,
ALS DUMPFER HASS IM HIRN
DER SKLAVEN
FREMDER NIEDERTRACHT.

GEKRÄNKTER STOLZ IN EITELKEIT,
VERBEISST SICH IM GEWIRR
DER RACHE,
KAUM VERHOHLEN,
DES MENSCHSEIN SCHLIMMSTER TRIEB.


17 / 02. 98
IK


( Schnittpunkt zwischen Optimismus und Pessimismus ist Realität. )








LEHMFIGUREN



FLIEH' DER HITZE,
ALTES FAHRRAD,
AUF ZERRISSENEN ASPHALT,
HINAB IN KÜHLE WASSER.

ROSTIGE LOREN,
DICHT IM SCHLICK,
LAUFEN SCHIENENSPUR
IM LEHM.

GRÜSS´ MIR DIE DOMMEL
AUS DEM ROHR,
TÜMPELHAUFEN IN DEN FELDERN
SIND DOCH SCHUTZ.

ZUGEWACHSNE TEICHE,
VERWUNSCHEN WIE EIN SCHLOSS,
RAUSCHEN SANFT,
IN SCHILFFRONTS HALMARMEE.

JETZT SEHR NAH,
DIE SCHWEREN WOLKEN,
RÄCHEN ZU SPÄT GEFORMTE
LEHMFIGUREN.

STEHEN AM WEGE,
IN GEBRANNTEN LEIDEN,
MIT REGENSCHAUERS LÖSUNG,
KOMMEN FORMEN NEU IN FLUSS.








INNERE BERÜHRUNG



DOCH,
DABEI FÜHREN MICH GEFÜHLE,
BEI ALLEM MEINEM TUN.

HINTERHER SICH SCHELTEN, BLIEBE DUMMES ZEUG,
SIE BERÜHRTEN MICH - UND NICHT VERSTAND,
GENAU ZU JENER ZEIT.

DEINE TAUSEND HEISSEN NADELN STECHEN MEINE HAUT,
OB SIE ZERWÜHLEN,
VERFÜHREN, BETÖREN, ZERSTÖREN,
IST WICHTIG MIR, NICHT GLEICH.


02 / 02. 98
IK









ÄGYPTISCHES ABENTEUER





 I. EL GEZIRAH



ALS TEMPEL ENGLANDS FALSCH HERUM,
MOLOCH IN DER WÜSTE MENSCH,
BEWAHRT, GEMISCHT UND
DURCHEINANDER,
STIL, FACETTEN, RELIGION,
GROSSSTADTLÄRM VOR STEILEN FLANKEN
STOLZER MONUMENTE,
PYTHAGORAS ZUR EHRE.

EIN BRUNNEN AUF DEM NIL
SPUCKT BUNTE BÄNDER AUS,
SIE FLIESSEN AB UND MISCHEN SICH
MIT ALL DEN LICHTERN DIESER STADT,
ZUM SCHILLERND BUNTEN KAIRO.

MILLIONEN MENSCHEN KRABBELN HIER,
WIE EINST DIE NACKTEN MÄNNER,
DIE BROCKEN TÜRMTEN
VOR DEN TOREN,
GÖTTERN UNTERTAN AUS
FLEISCH UND BLUT.

AUSGESPROCHNES TREIBEN
RÜCKT AN MONUMENTE,
ABER SCHLIESST DIE WUNDEN NICHT,
GESCHLAGEN DURCH DIE ZEIT.
KOLONIALE ZÄUNE
SCHÜTZEN GERAUBTES GUT
IN FREMDER HAND.

BEGREIFT DER GEIST VON HEUTE
JENE ALTEN MEISTER NICHT,
RÜTTELT ER DOCH - ODER REISST
TOTE AUS DER ERDE,
NICHT IHRER TATEN,
DER BEUTE DRUM.








II. DJESER DJESERU



TÖRICHTES GRAB AM HANG DER SCHATTEN,
VERWEGENER ENTWURF,
IM GENIUS RUHT DER TEMPEL,
NICHT AUF QUADERN AUS GESTEIN.
HEILIGTUM HINTER TERASSEN,
HOLT AUS IM BLICK ZUM FREIEN FALL,
AM HORIZONT, SCHIER EINGEPFERCHT,
KÖNIGE IM HEISSEN SAND,
ABER DU, OH KÖNIGIN,
ALLEIN IM SCHÖNEN TAL,
ANMUT NEBEN STOLZ,
HATCHEPSUT.








III. PHARAO



GESICHT AUS LAPISLAZULI,
GOLD UND MALACHIT,
JASPISAUGEN LEUCHTEN WIE DIE STERNE,
SOHN DER FERNEN SONNEN.

SCHWÜLE, LANGE GALERIE,
FAKSIMILE AUS BILDERN,
EINGEBRANNT IN LEHMPYLONE,
HEILIG IST DIE ALTE STADT,
ALLEE DER WIDDER SÄUMT DEN WEG,
NACH PUNT,
WEN EHRT IHR HIER, BOCKIGE GESTALTEN ?

EINGESOGNE HITZE PRALLT VON WÄNDEN,
SCHATTEN SPRINGEN AUS RELIEFS,
SPITZE FLAMMEN ZÜNGELN,
FRESSEN BILDHAFT MEIN VERSTAND,
ÄGYPTENS SONNE KÜSST DIE HAUT,
BLEIBT EWIG IM PIGMENT.

STUFEN,
TIEFE METER IN DIE ERDE,
TEMPEL ODER SAKOPHARG,
RAUGESCHWÄRZTER KULT AUF SÄULEN,
MÄCHTIG WIE DIE TODESSCHWINGEN,
ANUBIS UND OSIRIS,
TAUSEND JAHE HIER IM SCHREIN,
VERSIEGELT,
DEM TOD NICHT SICHER.








IV. ANKH



DRAUSSEN BEI DER STADT,
UND TIEF IM SAND,
REISST SICH DER SPINHX
NARZISSEN AUS DEM MAUL,
STREUT SIE ÜBER PYRAMIDENSPITZEN,
AUFGEFLAMMT IM SCHNEE.

ANKH, SYMBOL VERGANGNER ZEITEN,
WIR TREIBEN IN FELUKKEN
AN JAHRTAUSENDEN VORBEI,
BLAUER NIL, WEISSER NIL,
ERZÄHL´ UNS ÜBER DIE RUINEN,
IM BLUTROTEN SONNENUNTERGANG.


26 / 02. 98
IK








PERFORMANCE


 

Hans-Christian, der sich von seinen Mitstreitern gern Michelangelo rufen läßt, ist Künstler.Mehr oder weniger talentiert. Eher weniger. Er  beschäftigt sich mit Plastik und Bildhauerei. Seine Vorbilder entlehnt er der italienischen Renaissance des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Oft pries er in diesem Zusammenhang die Freilichtmuseen Florenz, Mailand, Pisa, Siena oder  Rom. Er ist nie dort gewesen. Dafür lebte er um so einfacher mit einigen Kommilitonen in einer Künstlerkolonie, einem besetzten Haus. Die Kommune war ein zusammengewürfelter bunter Haufen ewiger Studenten der Kunst und Philosophie.  Mit einigen wenige Soziologen und Theologen darunter. Brotlose Kunst sozusagen. Mit dem Auskommen war das so eine Sache. Kaum Geld, kaum Platz, kaum Aussicht auf Veränderung. Mancher hatte vermögende Eltern, die jene anderen armen  Hunde mit aushalten. Eigentlich ging es immer schlechter. Unser Michelangelo von selbst ernannten Gnaden verkaufte so gut wie nichts von seinen Werken. Jedoch mußte das Studium irgendwie finanziert werden. So stand er kurz vor der  Abreise aus der Universitätsstadt, um wieder Mama auf der Tasche zu liegen. Wie der Zufall es wollte, hielt die etablierte Kunstwelt der Stadt dieser Tage eine anerkannte Ausstellung ab. Zu Ehren des alten, großen Meisters, der vor  über 300 Jahren hier durchgekommen sein wollte. Oder sollte. Vermutlich. Wohl der tollen Chance wegen, bewarb sich die Kommune um Ausstellungsplatz. In einer Anwandlung von Großmut bekamen sie durch die Mäzene einen Galerieraum zur  Verfügung. Weit ab von der eigentlichen Ausstellung. Außerhalb der Kunsthallen. Schließlich wollte man sich ja nicht der Dickfälligkeit gegenüber Nachwuchstrends verdächtig machen. Bevor die womöglich noch protestierten. Seitens  der jungen Taugenichtse entschied man sich für eine sogenannte Performance. Alle Stilrichtungen sollten als Gesamterlebnis im offenen Spiel sehr lebendig dargestellt werden. Interessiert hat es niemanden. Bis, ja bis der plötzlich  angekündigte Kunstkritiker und Kenner Dr. James Howard aus den USA auftrat. Eine tolle Erscheinung. Gutaussehend, gut gekleidet, feine Manieren, sehr souverän - und vom Fach. Presse, Fernsehen, Mäzene und sonstige Honoratioren der  Stadt lechzten nahezu nach seiner Meinung. Und der war voll des Lobes. Über alles und jeden. Zumindest was die Ausstellung anging. Irgendwie muß er sich im Katalog verblättert haben, dahin, wo auch die Performance Erwähnung fand.  Bei einer der Pressekonferenzen spielte er wie zufällig mit jener kleinen Plastik in den Händen. Hans-Christians Skulptur. Zu aller Überraschung erklärte er auf Nachfrage, am Rande hier ein großes Talent entdeckt zu haben. Dessen  Werke würden wohl den zukünftigen Zeitgeist ( ? ) treffen. Und er wolle sich schon heute ein Stück nach USA mitnehmen. Von da an war die Performance ein Renner, Michelangelo aber der Hit, der Verkaufshit. Alle Größen vorneweg.  Neugierige Journalisten haben nachgefragt in Seattle, USA. Einen Kunstsachverständigen Dr. James Howard hat es nie gegeben. Man hatte seinen Skandal, so eine Art Dopingfall. Stunden nach der öffentlichen Entschuldigung verließ der  gute Mann fluchtartig die Stätte der Schande. Eilig einberufene Konferenzen begrenzten abwiegelnd den Schaden mit der eigenen Dummheit. Nur Hans-Christians Stücke liefen weiter und wurden immer teurer. Angebot und Nachfrage.  Vorsichtige Versuche der Medien, jene Histerie auf den Scharlatan zurückzuführen, scheiterten kläglich. Am Widerstand der geprellten Käufer. Resignierend murmelte einer irgend etwas von des Kaisers neuen Kleidern. Und wäre beinahe  verprügelt worden. Hans- Christians Kumpel Jan, arbeitsloser Absolvent der Schauspielschule, bekommt heute 25 % vom Umsatz. Der Meister selbst ist anerkannte Bildhauergröße und verkauft um die Welt. Nach Seattle, USA zum Beispiel.



02 / 03. 98
IK








 DAS GLÄSERNE COLOSSEUM



INMITTEN SATTEN GRÜN,
AN WALDES SCHÖNEM SAUME,
ERLEBE ICH IM TRAUME,
WIE RITTLINGS WOLKEN BLÜHN.

VON SPITZEN FARN IM RÜCKEN,
SPRÜHT SONNENLICHT
WIE GLÜHEND TAU IN MEIN GESICHT,
WILL MICH DER ZEIT ENTRÜCKEN.

TAUSENDFACH GEBORSTNE FLUT,
TROPFT ALS GOLDEN BLUT DER BÄUME
DURCH MEINE AUGEN IN DIE TRÄUME
ZUR QUADRATUR DER WUT.

SIEBZIG STUFEN ÜBER MIR,
EIN BLENDEND SCHEINGEFILDE,
TRIFFT MICH TROTZ ERHOBNEM SCHILDE,
OHNE GNADE ODER MILDE.

IM CIRCUS GANZ AUS GLAS,
ZUM EINGANG BLAUER STEINE
HALLT EIN ANGSTSCHREI WIE DER MEINE,
INS THEATERRUND ZUM SPASS.

APOKALYPTISCH FINSTRE BOTEN,
ALS GEWITTERBARK IN SICHT
VOR DÜSTER SZENE STRAFGERICHT,
ZÄHLEN RASCH DIE TOTEN.

DAS COLOSSEUM SCHLEUDERT BLITZE,
UNVORSTELLBAR WELCHE PRACHT
IN DER PLÖTZLICH GRELLEN NACHT,
ALS BUNTE BÖGEN, BERSTEND HITZE.

MUSS ICH GAR DEN FLUCH ERRATEN,
DIE KATHEDRALE BRICHT !
IM TAU, DER SICH MIT TRÄNEN MISCHT,
REGNEN SPLITTER BÖSER TATEN.


16 / 03. 98
IK








 DIE TAUBENZÜCHTERIN



SIE KAMEN SONNTAG MORGEN,
IN KÄFIGEN UND WAGEN,
GUT GELAUNT UND OHNE SORGEN,
KEIN LEID WAR ZU BEKLAGEN.

MANCHE TAUBE SASS BENOMMEN,
GURREND IN DER KISTE,
RINGE SOLLTEN SIE BEKOMMEN,
MIT ZAHLEN AUS DER LISTE.

ICH GLAUBE, ES WAR SCHON IM MAI,
DIE KNEIPENTÜR STAND OFFEN,
BILLARDSPIEL SCHIEN EINERLEI,
DA MANCHER KOPF BESOFFEN.

FEINE HERREN STÜTZTEN DAMEN,
NACHBARS HUND ZUR MAHNUNG,
HIELTEN LALLEND FEST AM RAHMEN,
VON TAUBEN KEINE AHNUNG.

JEDOCH DIE SIEDLER, GUTER LAUNE,
LIESSEN DIE TAUBEN FLIEGEN,
TÜRKEN HOBEN SICH VOM ZAUNE,
DEM HÄUSERGRAU ENTSTIEGEN.

WIR WAREN FROH, DABEI ZU SEIN,
UND SPIELTEN MITEINANDER,
EINE WIRKTE GAR IM SCHEIN,
DER SONNE NOCH GALANTER.

DIE TIEFEN, BLAUEN AUGEN,
SUCHTEN IN MIR DRINNEN,
VERSPRACHEN MEHR ZU TAUGEN,
ALS SONST DIE ZÜCHTERINNEN.

FREUNDLICH NETTES MÄDCHEN,
MIT WISSENDEM GESICHT,
WURDE EINS DER RÄDCHEN,
IM UHRWERK VON GEWICHT.

NAHM MICH MIT INS NAHE HEIM,
UND ZEIGTE MIR IHR WISSEN,
ICH GING IHR WILLIG AUF DEN LEIM,
SPIELTE NEULING UNTER KÜSSEN.


11 / 03. 98
IK








DER IRRE



SELBER EINGELIEFERT,
ENTLASSE ICH MICH WIEDER,
AUS DEM KREIS
DER ENTHUSIASTEN,
DREHORGELND UM DIE EIGNE ACHSE.

DIE FURT ZU TIEF,
DIE BRÜCKE BRUCH,
WEIT DAS ANDRE UFER.








EISPRINZESSIN



HOCHGESCHLOSSNE,
ZUGEKNÖPFTE,
KALTE SCHÖNHEIT,
DEIN EISIG KUSS SCHNÜRT MIR DIE KEHLE ZU,
IM ALPTRAUM FÜRCHTERLICH,
GEFANGNE IN DEN PANZERN DEINER SELBST,
AUS WORTGESTELZTEM ANSTAND,
UNMORAL
UND SITTE.

MICH FRÖSTELT DER GEDANKE.
HUI,
VOR SO VIEL SELBSTWERT EIGENBROT.


26 / 03. 98
IK








GEWITTER OHNE REGEN ( GET OUT )



BEHANDELST DAS, WAS DU NICHT KENNST,
WIE GEWITTER OHNE REGEN,
FÜRCHTEST DICH WIE BLINDE VOR DEM LICHT,
DER BLICKE WEGEN IN DIE NEUEN WELTEN,
BESSEREN VIELLEICHT,
AUF ALLE FÄLLE ANDERS,
NEBEN DIR UND DEINEN SELBER AUFERLEGTEN NORMEN.

DU WILLST NICHT,
DASS ES ANDERS IST.

GENIE IST FREMD DIR EBENSO -
WIE MIR IDIOTEN.


26 / 03. 98
IK








WÜSTENROSE



DA STEHT DIE ROSE IN DEN DÜNEN,
KÜHNER NOCH WIE XERXES´ HÜNEN,
OHNE WASSER MUSS SIE DARBEN,
MIT VOM WIND GERISSNEN NARBEN.

DOCH LEUCHTET ROT AM TOTEN ORT,
KEIN UNBILL BRINGT MEIN WUNDER FORT,
SPITZE DORNEN WEHREN HIER,
ICH FASS´ DICH, ROSE - AUS PAPIER !








WASSERTROPFEN



MONDLICHTS KALTER TON
HÄNGT
IN NASSER LANDSCHAFT.

WENN ICH EUCH SEH,
AM GEISTE DER GESTALTEN GLEICH,
REDESCHWALL VON EINER WELLE,
IM TUN VEREINT,
FRAG´ ICH MICH,
WER SANDTE DIESE BRUT,
JEDOCH GAB SINN NICHT EINMAL.

AUGEN BRAUCHT IHR KEINE,
BETROGEN IN DER SICHT,
DA BILDER, DIE IHR RUFT, AUS GLORIE UND PATINA,
FRISCHE MISSEN,
WAS WOLLT IHR HIER, WOZU?

LIPPEN ZU FORMEN,
WIE MEIN KOPF NICHT DENKT,
SUCHT HEIM MICH IN BEDRÄNGNIS,
VERSPERRT DEN ZUGANG MIR ZU MEINER WELT,
FÜR DIE HIER KEINER STEHT,
IN HUNDERT JAHREN NICHT.


31 / 03. 98
IK








AUGENSPIEL



VIER AUGEN MITEINANDER RINGEN,
UM DEN ANDEREN ZU ZWINGEN,
SEINEN BLICK ZU SENKEN,
MIR DEN SIEG ZU SCHENKEN.


 ( Wer Fleiß mit Aktionismus verwechselt, versteht nichts von Effizienz. )


31 / 03. 98
IK


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INGO KARWATH

DIE SALZKARAWANE - GEDICHTE (IK 1998)

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

 

Vogel1