Lyric Book 7




GEDICHTBAND 7




ORCHIDEENTOR







TITELLOS



ALS ICH BLIND WAR
SAHEN MEINE ERINNERUNGEN

ALS ICH TAUB WAR
HÖRTEN MEINE ANDEREN SINNE

ALS ICH SPRACHLOS WAR
REDETEN MEINE TRÄUME

ALS ICH TOT WAR
LEBTEN MEINE WORTE FORT

ABER ALS ICH SCHULDIG WURDE
ZEIGTEN DIE SCHULDIGEN AUF MICH



29 / 03. 01
IK








ROCKN’N’ROLL BAND



TRAUM PELZIGER ZUNGEN
BLEIBT
UNEINS OB GELUNGEN
DAS
WAS SIE TREIBT
AUF DEN GIPFEL

TRAUMA NASSER ZUNGEN
SCHEINT
TROCKEN AUSGERUNGEN
DAS
WAS SIE EINT
IM TOTEN ZIPFEL



22 / 03. 01
(thanks Eric C.)
IK







ZEICHEN



WÖLKCHEN IM CAFÉ
ODER
REGEN IM BRUNNEN:

EIN SCHATTEN DER MICH ERSCHRECKT
GERADE NOCH DARIN VERSUNKEN
HAT UNGEWÖHNLICHES
IN MIR GEWECKT



29 / 03. 01
IK







SPIEGELUNG



TROPFEN AUS SCHMUTZIGEM STAUB
PERLEN NACH OBEN
IM SPIEGEL KERAMISCHEN LÄCHELNS

BLANK SIND DIE BLICKE
SIE GLEITEN BERGAB
AUF SCHARTIGEN BRÜCHEN VON DÜSTERNIS

DORT ABER
WO TRÄNEN UND STÄUBE VERMISCHEN
VERSANDET DIE SPUR ZWEIER LEBEN



10 / 04. 01
( gewidmet Mutter )
IK








IDENDITY



SCHMIERGELEI
IM EHERNEN KREISELN

ÜBER DROMEDARRÜCKEN
UNTER SCHWÄRENDEN MÜCKEN

WAS GESTERN NOCH GLÄNZTE
IST HEUTE STUMPFES GEWÄNSTE



11 / 04. 01
IK







ENDSTATION



REISENDE LICHTER SO WEISS
FOLGEN DEN SCHMERZEN IM STADIUM ZUR WENDE

FRATZENGESICHTER SO SCHWARZ
ZERSCHLAGEN IN TERZEN DIE SPANNE ZUM ENDE

ICH SCHREIE DIE LEBENDEN AN
SIE HÖREN NICHT ZU



08 / 04. 01
( gewidmet Frau H. )
IK







 GITARRENMANN



IM HALSE DAS GÄNGELBAND
DEN SCHLAUFEN ENTWUNDEN
SITZT ER NÄCHTENS AM BÜHNENRAND
SEINER NACHT LÄNGST ENTSCHWUNDEN

IN DEN SÄLEN VERFANGENER HALL
VERSTÄRKT VON MELODISCHEN DRALL
DANN REISST DER TON
AM DRITTEN STEGE SCHON

ER MACHT DEN HALS SO LANG
IM BAUCH TOBEN BÄSSE
WAS ER HINTER SICH SANG
SIND MORGEN EISIGE PÄSSE

FINGER ZAUBERN EIN REGEN
PRISMEN DOCH OHREN ZUM SEGEN
LICHTER FLIRREN NACH MAGIERS HAND
LÖSEN IM HALSE DAS GÄNGELBAND



22 / 03. 01
IK







MELANCHOLIE



WO STEHEN DIE TULPEN
DER NIEDERTRACHT
WIEGEND IM SCHWALL VON GERÜCHTEN
UNBEDACHT?

HARMONIE NUR IM NEIGEN
GELIEHENES OHR FEINEN GEIGEN
DER MELODIE UNWAHRER LIEDER
UNTERM BLICK GESCHLOSSENER LIDER

WER PFLÜCKT DIESE BRUT
VOM KLIPPEN GESTADE
UND BLEIBT AUF DER HUT
WÄRE DOCH SCHADE:

GINGE DER HELD UNTER IN FEHDEN
AUS SUMPFIGEN REDEN
UND IHRE NESSELN ERLEIDET
BEVOR ER SIE SCHNEIDET



03 / 07. 01
IK







MADONNA



AN PERLENSCHNÜREN
SCHWARZER MONDE
REIHT SICH HEIMATLOS DIE SEHNSUCHT
SEHT DEN SCHEIN VEREINT!
AUF MEINEN BRÜDERN
WEITER IM REGEN WEINT!
TRAUERT IN DRAMATISCHEN STÜCKEN

AUF GEDANKEN!
ZUR VERRÜCKTEN LIEBE
ACH IHR GEFALLENEN SCHRANKEN
FINDET DIE WEGE SCHNELL!
NEBEN GEEICHTEN NORMEN
BALANCIERE DEN STEG BESTELL!
DIE NACHT ES WIRD BEREITS HELL



13 / 08. 01
IK







BERÜHRUNG



EIN HAUCH NUR
VERWEHT DA IN WORTEN
DAS AUGE ERSCHRICKT
WAS SPIELT IN DIE KARTEN
WER HAT DICH GESCHICKT?

UM MICH HERUM
SCHWINDEN DIE LICHTER
EIN WESEN ERSCHEINT
AM HORIZONT TRIFFT DER DICHTER
SEIN SCHICKSAL ES WEINT

ICH ATME, ICH HÖRE, ICH WEINE

UND STAUNE:
MEINE HAND BLEIBT IM ZAUME
DEIN KUSS AUF DEN LIPPEN
ICH BRENNE IM STAUNEN VERFÜHRT
DU HAST MEINE SEELE BERÜHRT


14 / 08. 01
(Willst du meine Seele berühren, küsse sie!)
IK







LICHTBARES DUNKEL



LASS DIE WAFFENRUHE
RUHEN
DER WANKELMUT TREIBT BLÜTEN
MUTIG
UND AN UFERLOSEN FLÜSSEN
STRANDEN
LANGSAM ENTEILT
DIE AUSSICHTEN FENSTERLOS

BILDERLOSE GALERIEN DER
RAHMEN
DIE REBELLION FINDET IM SAALE
STATT
ÜBER STUFENLOSE TREPPEN
SCHWIMMT
DIE GERONNENE
SÜSSE
INS BITTERKALTEN BRENNGLAS
HINEIN



01 / 07. 01
IK







AUSSERHALB



LAUFEND
UND
ERSAUFEND
DURCH DIE STEHENDE TROCKENE STADT
VOM ENDE – ALT
ZUM ANFANG – KALT
DURCH DIE TOTEN BEKANNTEN GESPRÄCHE
GESICHTER DER LAHMEN
VOLL GIER
WENIG DEM WISSEN VERBÜNDET

AN
ALLEN
STATIONEN
DIESELBEN GESPRÄCHE VERWEILEN
IM KREISE -
ANDERSWO -
SOWEIT DIE SCHRITTE ENTEILEN
PERSPEKTIVEN BLOSS
DERSELBEN GESCHICHTE
ZÄH DAS VERSTEHEN SCHNELL DAS VERGESSEN



24 / 06. 01
IK







DIE KLANGFARBE



WER MAG SCHON DEN
LÄRM
ER DRINGT INS
GEDÄRM

SCHÄTZT WER LAUTLOSE
RUHE
DAS ECHO IN TOTEN MANNS
TRUHE?

DER KLANG VOM MEER
IST’S
WAS ICH BEGEHR'



05 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







VOGELS PARADIES


I

SO SCHILLERND GEFIEDER
GEBROCHEN IM LICHT
SIE FLIEGEN, KOMMEN DOCH WIEDER
BLEIBEN IMMER IN SICHT

SO STRAHLEND DIE SONNE
VERSTECKT HINTER WOLKEN
SIE FÜHLEN SO WOHLIG, DIE WONNE
ES GIBT KEINE FALKEN

SO ERFÜLLT JEDER TAG
SO RANDVOLL DIE NÄPFE
SO SICHER, DASS KEINER SIE TROG
NUR ZIERDE DIE GLITZERNDEN NETZE

WER MAHNT SCHON DIE GITTER
ZÄHLT JENE STÄBE
SIE SEHEN NUR DEN GLIEDER
HINTERM STÄHLERN GEWEBE

II

SO GEBROCHEN DER BLICK
TRÜBE DAS SEHNEN
SIE TRAUERN ERGEBEN GESCHICK
IM GLÜCK SICH ZU WÄHNEN

SO SCHÖN IHRE STIMMEN
HARMONIEN DES WALDES
SIE FLEHEN, SIE GRIMMEN
STÜRB' ICH DOCH BALDES

SO LEER JEDER TAG
SO TROSTLOS DIE WELT
SO ÄNGSTLICH, WORAN ES WOHL LAG
DASS SIE IHR NEST NICHT BESTELLT?

ZWEI VÖGEL EIN PAAR
GEFANGNE DER DIEBE
SIE VERMISSEN DIE SCHAR
DIE FREIHEIT IN LIEBE


04 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







UNWUCHT



SAH ICH FREUNDLICHE WILDE
IN EIGENER GILDE
SIE SANGEN SO FREMD
IM SELTSAMEN HEMD
FEIERTEN ANDERE GÖTTER
UND KOPIERTEN -
DIE HÖHNENDEN RETTER

GEGEN IHRE SITTEN UND RITEN
HABEN DIE WAS ZU BIETEN:
UNVERSTÄNDNIS UND ZWÄNGE
VEREINNAHMENDE GESÄNGE
ZUR SEELEN ENTFREMDENDER SUCHT
DAS ABER -
MIT (UN)ZIVILISIERTER WUCHT



15 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







BRÜCKENKÖPFE



AM HORIZONT
DAS
ERWACHEN
DAZWISCHEN
BIS HIER
BLOSS
NEIDISCH GELICHTER

LASTKÄHNE
IM
BLÜTENSUMPF
TREIBEN AUF
GRÜNEN GESICHTERN
ZUM
ERWACHEN HINÜBER



25 / 10. 01
IK







AUFGABE


I

WARUM MUSSTEST DU WIEDER
IN SCHATTEN FALLEN
OH MENSCH -
NUR UM EINEM GOTT
ZU GEFALLEN?

WO DU DOCH SCHON
FREI GEWESEN
BIST -
STÜRZT DU FREIWILLIG
WIEDER IN ZWIST?

DIE ERKENNTNIS JENSEITS
HAST DU GEWOGEN
UND
DENNOCH DEN GEIST
GEGEN GENÜSSE BETROGEN

WEISHEIT LAG IN DEINER SPUR
SIE RISS AB
DU SPERRTEST RIEGEL DAVOR

II

ZWEITAUSEND JAHRE ERBLINDET
IM ZORN
OH MENSCH -
GESTACHELT DURCH EINEN
GEWALTIGEN DORN

DER WAAGE HAST DU
DIE MITTE
ENTRISSEN
DEINE SINNE DOGMATISCH
IN WAHRHEITEN VERBISSEN

ALLE WAHRHEITEN
SAGST DU
SIND LÜGEN
WO DOCH DIE WAHRHEITEN
DIE LÜGEN BETRÜGEN

DEIN ANSPRUCH AUF EINES
OH MENSCH
IST ANSPRUCH AUF KEINES


08 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







DIOGENES II



DIOGENES FREIGEIST DER TONNE
SO NAHE DIONYSOS
DEM GOTT ALLER WONNE
ENTFERNT JEDER NORM
UNGEBUNDEN DER FORM
ALLER ZWÄNGE
MENSCHLICHER ENGE

ZWEIFLER, MACHER DER VIELEN
SO NAHE SICH SELBST
IM SPIEGEL ZUM SCHIELEN
UNTERTAN JEDER NORM
GEBUNDEN IN FORM
EITERNDER ZWÄNGE
UNMENSCHLICHER ENGE

LACH' ÜBER DEN TOREN
DER DOCH NEU GEBOREN
GROTESK WEIST VORAUS
ZUM SCHEINE AM RAND
WO IN SCHNELLEM GEBRAUS
VON BORD GEHT DER TAND
STEHEN GEBLIEBENES LAND


08 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







WOLKENLOS


WER ZÄHLT DIE WOLKEN
DIE VIELEN?
WAS ZÄHLT SIND DIE WOLKEN
MIT REGEN


15 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







SUCH & FIND



Wer die Provokation sucht
sollte zunächst ihre Folgen finden







EXPRESSIVE IMPRESSION



GESCHLOSSENE WELT
HINTERM
SEIDENVORHANG
KEINER SIEHT REIN
KEINER TRAUT SICH
HERAUS
AUS DEM KOKON

ERSCHLOSSENE WELT
INMITTEN
FARBENGEKRÖSE
LICHT STICHT HINEIN
LICHT BRICHT SICH
DARIN
ALS MEIN GAUGUIN



05 / 11. 01
IK







MIT DEN SINNEN



MÄDCHEN MIT DEN SILBERHAAREN…
MÄDCHEN MIT DEN SCHERENHÄNDEN…
MÄDCHEN MIT DEN SORGENLIEDERN…

GEBLENDET VOM SCHREI
DES INNEREN LICHTS
BIN ICH TAUB SO
WIE BLIND

SEELEN
VERFÜHRT VON
DEN SINNEN
ZUM KOSMISCHEN TANZ



05 / 11. 01
IK







ABSCHIED



STUNDEN
ÜBER DIE ZEIT
DIE
KEINE SPANNE
VOR EINEM
WEITEN WEG
OHNE LÄNGE

IM ZITTERN
DES DÄMMERNS
WO
ALLES GESAGT
UND DOCH
KEINER
VOM ANDEREN WEISS

VOLLZIEHEN
TRENNLINIEN
DEN
SCHLUSS

WORTLOS UNGELENK
SCHRITTE
VORM VERSCHLOSSENEN
MUND
FORT VON HIER
HINÜBER
ZU IHR
DEN ABSCHIED
SELBER
BESTIMMT
NICHT
VOM MOND
MEINER
SONNE



06 / 11. 01
IK







DIE SINN FLUT



HOHE FLUT
HEILIGE FLUT!
IM BÄUCHE DER MEERE
UNBÄNDIGE WUT
NICHT ÜBER GESTADE ZU SPRINGEN
DES EWIGEN RINGES
NIEDERKUNFT

IN VIER ELEMENTEN
FEUER WASSER
ERDEN UND LÜFTEN
DAS BEFRUCHTENDE ZWINGEN VON KLÜFTEN
IM SALZE ENDLOSER TROPFEN
DER MEDIZIN
BITTERER HOPFEN

FLUT
ÜBERSPÜLE DIE UFER!
NIMM MIT
DIE DÜMMLICHEN RUFER!
NACH ANDEREN WEITEN
BELEHREND GEZEITEN
VOM GRUNDE AUF

AUF RIFFEN
UND SEEANEMONEN
WOHNEN
GLEICH MOOSEN
UND FLECHTEN
DIE KARGEN GERECHTEN
FILTER DER WELT

REIN
SCHMIRGEL DEN SAND
VORM UNERREICHBAREN LAND
HINTER DEICHEN
WIE TOREN
GLEICHMÄSSIG DER TOREN
ZU OHREN

HOHE FLUT
HEILIGE FLUT
DIE VIER
ALS ELEMENTARE ZIER
IM GESCHLEPPE
SCHENK IHNEN DAS LUFTHOLEN:
EBBE



15 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







DES ZAUDERERS BOTSCHAFT


IN SCHWEISSNASSEN LINNEN
ERWACHT VON PANISCHEN SINNEN
EIN WÄCHSERN GESICHT
ASCHFAHL ERSCHROCKEN IM LICHT

TÖRICHTE TRÄUME VOM BUCH
GESCHRIEBEN IN BOSHEIT UND FLUCH
WORTE VOLL ARCHAISCHER STRENGE
IN WAHNWITZIG ZAHLLOSER MENGE

MIT VERSEN AUF URALTEN SEITEN
TRAKTATEN VON TRIEFENDEN LEIDEN
FÜRCHTEN HASSEN BETÖREN
GOTTLOSEN DIE SICH SELBER GEHÖREN

LETTERN MARSCHIEREN IN REIHEN
IN DENEN DIE WORTE GEDEIHEN
ZU SÄTZEN GEDRILLTER KOLONNEN
MASS WIE TAKT IM GEISTE VERSPONNEN

WER SCHICKTE DEN BOTEN
TAKTLOSER NOTEN
ALS BEKEHRER VON REUE
BEREIT FÜR DAS NEUE?

WER SCHRIEB DIESE WORTE
AM FINSTEREN ORTE
WO URGEISTER SCHREIEN
UND UNGLÄUBIGE WEIHEN?

RISSIG BEBEN DIE LIPPEN
DOCH AN DEN REIMEN ZU NIPPEN
ABER DUNKEL UND SCHWEFEL
VERSTÄRKEN DEN FREVEL:

URWÜCHSIGE FORMEN
GEFÄHRDEN GÜLTIGE NORMEN
DES ZAUDERERS BOTSCHAFT VERHALLT
SELTSAM GELALLT

UNTER SCHMERZEN
IM GLANZE LICHTLOSER KERZEN
HOLT DER BOTSCHAFTER
SEINEN JÜNGER NACH HAUS



15 / 0601
IK
N.Q. / Australia







UNSER VATER



ENTZWEI BRECHEN
KANN
EIN GOTT
NUR AN FEIERTAGEN
WENN
SIE IHN
AUF GLÄUBIGEN SCHULTERN
DURCH HOLPRIGE GASSEN
TRAGEN

ANSONSTEN
AN DEN
ANDEREN TAGEN
ENTZWEIT ER
JENE
WELCHE
AUF TAUBEN SCHULTERN
SEINE LASTEN
ERTRAGEN



07 / 11. 01
IK







MESSIAS



ZERBROCHEN DU GOTT
IN ZIG RELIGIONEN
DEIN IST DER SPOTT
IN WENIG ÄONEN

TEUFLISCHER EINER
HÜTER ABSTRUSER ZWÄNGE
MORGEN RUFT KEINER
NACH DIR IM GESÄNGE

ARMER VERKÜNDER
WAS WAR DEIN GLAUBE?
HEUTE HERR ALLER SÜNDER
MORGEN IM STAUBE

MIT DIR DER REST
ANSTECKEND DIE PEST



16 / 09.01
IK







SICHT WEISE



SCHREIENDE WILDGÄNSE
TRÄUFELN
MEIN OHR
NOCH BEVOR
ICH
DEN KANAL
ENTLANG SCHWIMME
WELCHER
SO RANDVOLL
ALLE
WIRRNISSE TRÄGT
IN DER
FÄULNIS
GÄRENDER ÄPFEL

DER ERZWUNGENE BLICK
ZUM
VERMODERTEN GRUNDE
VERMISST DIE
SCHREIENDE SCHAR
DOCH EIN
SPIEGEL
SCHICKT MIR
DIE GÄNSE
GANZ NAH
DURCH FARBIGE SCHEIBEN
AUS
GRELLBUNTEM
OBST



07 / 11. 01
IK

 

 

 

 

 

 

 

 

UNGUT FÜR MICH



DURCH HEISSES HIRN
RASEN DIE BILDER
ZU SEHEN
DOCH NICHT ZU FASSEN

SIE GERATEN NUR WILDER
WEHEND IHR SCHOPF
SCHAU’ IHNEN NACH
DOCH KAUM ZU ERHASCHEN

HAB MEINEN GEIST VERLOREN
IN TAUSEND FRAGEN
VERBRANNT
DOCH NOCH ZU RIECHEN

DIE ANTWORT ZU WAGEN
REISE WEITER
BIS ANS ENDE
DOCH ERWARTE KEIN SIEG



15 / 09. 01
IK







DAS WÜRFELSPIEL



ZWEI JUNGEN
HOCKEN AM BODEN
GEBANNT
OB SIE TAUGEN
DAS PAAR
GEWÜRFELTER AUGEN

EIN MÄDCHEN
DANEBEN
TANZT
UNTERM SEGEL DER LICHTER
ZUM SCHATTEN
ENTRÜCKTER GESICHTER

DREI KINDER
WÜRFELN DEN MORGEN
AUF
HARTEM GESTEIN
DAS LEBEN GESETZT
LORBEER IHR SCHEIN



13 / 10. 01
IK







FEUCHTE HÖLLE



IM WALD JAGT DIE EULE
DURCHGEGANGENE GÄULE
GEPEITSCHT VON AMAZONEN
DIE IN DEN BÄUMEN WOHNEN

AN DIE SCHEIBEN
SCHLÄGT EIN REIBEN
RÄDERN FEHLEN SPEICHEN
DIE IN SCHLÄMMEN ZERWEICHEN

DORT FAULEN DIE FETZEN
VOM FLEISCHE DER LETZTEN
SKELETTE ALBERNER LEICHEN
DIE IM TOTENKULT BLEICHEN

ZU LANGEN RANKEN
VOLL WÜRDE UND WANKEN
SUCHEN LIANEN DEN HALT
DIE ANDEREN DAS ENDE ALSBALD

REGEN IN STRICHEN
IST DER SONNE GEWICHEN



10 / 06. 01
IK







ROMEO & JULIA



SIE FLÜSTERT:
ICH FÜHLE MICH SCHLECHT
SEIN HAUCH NUR:
WARUM?
GANZ SANFT
BEBENDE LIPPEN:
WEISS NICHT SO RECHT

ER FLÜSTERT:
SEI NICHT WÜTEND AUF DICH
SING VON
DEN BLUMEN
VERWANDLE DIE TRÄNEN
IN TAU
UND
BENETZ MICH



07 / 10. 01
IK







GLÄNZENDE SPUREN



DU SCHEIN
MASKERADE
DU BIST KEIN SCHREIN
NUR CHARAKTER
ZUG UM ZUG
ZUM DESASTER
SKRUPELLOSER TRUG
SEELENLOSER ZASTER

ZEIT FÜR NIEMAND
IM GRELLEN LAND
ERLEUCHTET
WIE BEFEUCHTET
NUR VON FUNZELN
UND TROCKENRUNZELN
KEINE REBELLEN
BODENLOSE LIBELLEN

AM NIRGENDWO
HARRT EIN STEG
DER BOOTE VOLL TAND
KEIN BELEG
FÜR REICH
EHER SIECHTUM
VOM GLAUBEN IN TRAUBEN
AM STRAND

FOLGE DEM LEUCHTER
BEFEUCHTER
IN DIE SCHATTEN
DER WATTEN
WO DIE STEPPEN
VEREBBEN
VOM HÖRSAAL
ZUM RINNSAL

EIN RUF!
ZU FOLGEN
DEM SCHLAGE VOM HUF
ALS FOLGE
VOM WERBEN
DER STUMMEN GEWISS
IM ERSTERBEN – HÖRE!
SEIN GAUL IST’S



15 / 06. 01
IK
N.Q. / Australia







MIL



SPIELZEUGE
VOM
NEUEN
JAHRTAUSEND
SEID
SO ALT
WIE DIE
GEZÄHLTEN
JAHRE
GLEICHGÜLTIG
SIND



15 / 11. 01
IK







RAUMTREIBER



DER
SCHUB
SCHUB
TREIBER
SPIELT MIT DER NACHT
DEM
GETÖTETEN LICHT
ERPICHT
NICHT
AUF MORGEN
DAS HELLAS
VOM SCHLACHTFELD
ZU SCHAUEN:

DIE SICHT
DER
SIEGER
VON
PROPHETEN
GESCHÄNDET
RAUM
TREIBER



15 / 11. 01
IK







KOSMISCHE TÄNZER



SEELE
IN SEELE
MIT DIR
WILL ICH TANZEN
AUF WIESEN
AN BÄCHEN VORBEI
DIE ES
DANACH NIEMALS GAB

ALLEIN
NUR ZU ZWEIEN
UNTER
FLÜSSEN
UND DIR
EINEN MONDSTRAHL SCHENKEN
VERFANGEN
IM NETZ
PHANTASIE

TRAMPELPFADE
IM LEHM
GEBROCHENER KRUSTE
SOLLEN
UNSER GLÜCK
TRAUMWANDLERISCH
FÜHREN
ZU WISPERNDEN
BINSEN
WIEGEN DEM WINDE SPALIER

WIR SCHREITEN
DANN
IN LACHENDER EHRFURCHT
GEMESSENEN
SCHRITTES
DURCH
DIESE PFORTE
NATUR



15 / 11. 01
IK







DEJA VU



AUF DEM BALKON
MEINES LEBENS
STEHT
KALIBAN
ROSA SCHLEIER
IM NACKEN
UND
STARRT AUF MICH
NIEDER

DIE BRÜSTUNG
DA OBEN
NIE
SONDERLICH HOCH
BRÖCKELT
IM STIEREN BLICK
PECHSCHWARZER
WOLKEN

MEIN ERKENNEN
IST GRAUSAM
HIER UNTEN
STEHE ICH
TOT
BESTAUNE
MEIN WESEN



15 / 11. 01
IK







DIE KLEINE GEIGERIN



SCHATTENWURF
AN
HOHER MAUER
BEGLEITET
DEIN SPIEL
KLEINE GEIGERIN

ZWEIFELLOS
MÄDCHEN NOCH
DOCH SCHON
IN DEN
NOTEN
VOLL GRAZIE
JA TEMPERAMENT

SANFT STREICHT
DER BOGEN
ÜBER
HELL KLINGENDE SAITEN
DES KORPUS
VABANQUESPIEL
ERTÖNT

VERTRÄUMT
DIE
AUGEN
BLICKE
OH ZAUBERIN
REINSTER EKSTASE
UND ALLE
BETÖRTE
LAUSCHEN SO FEIN

DANN
PLÖTZLICH SCHWEIGT
DIE SONNE
UND DER SCHATTEN
ZERFÄLLT

DAS KIND
SENKT DIE ARME
STILLE
UND GEHT
WIE DIE HÖRER

DIE GEIGE
BLEIBT
TRANCE
EINER MAUER



16 / 11. 01
IK







DIE TRÄGER



IN WELTEN
VOLL DUMMHEIT
KNÜPFEN
SCHWER NUR
DIE WORTE
TRAGENDE SCHAREN
ZUM
FLIEGENDEN TEPPICH

GLEICHGÜLTIGE SCHERT
DAS BROT
KEINE REDEN
AUS IHREM
MADIGEN KUTTER
SCHÖPFEN SIE WASSER
ANDERE HALTEN
DAS LOT

WER BRICHT
DEN SELIGEN FRIEDEN
UND FLICHT
ALLE TRÄGER
ZU
EINEM KUNSTWERK
TRAGENDEN DENKENS –
ERST DER TOD?



23 / 09. 01
IK







ORCHIDEENTOR


DIE
ALTE
STRASSE
VOR UNS
MIT
DEN DUNKLEN SÄUMEN

DAS
MÄDCHEN WINKT
UND
SPRINGT
ZUM HELLEN HORIZONT
DIE ABGRÜNDE
HIN

EIN
ENGEL
QUERT
DAS TOR
FEE MORGAINE


30 / 11. 01
(gewidmet George Harrison)
IK







WEISSAGUNG



BIN
VOR DEM WINDE
GEBOREN
IN
STÜRMISCHEN AUGEN

WERDE
TAIFUNE
ENTFACHEN

DAMIT ER
SICH
WIEDER LEGEN KANN
JENER WIND



02 / 12. 01
IK







KADUA



WENN DU WISSEN
WILLST
WAS EIN GOTT HELFEN
KANN
FRAG DIE NONNEN
VON
KADUA

ENTSETZLICHKEIT

FALLS DU HÖREN
WILLST
WIE TOTE SCHREIEN
ERZÄHL
DEN PRIESTERN
IHRE
RELIGION

ERBÄRMLICHKEIT



12 / 12. 01
IK
(gewidmet dem Volk der Hutus)







WOHIN



HÄNDE
IN DEN WOLKEN
MIT
DEM FINGERZEIG
UNENDLICHKEIT

NACH OBEN
DURCH
UND IMMER
WEITER
WEG VON MEINEM
KOPF

EINE ANDRE
HAND
FÄHRT DURCH MEIN BLAUES HAAR
GANZ
NAH
AM KOPF



07 / 12. 01
IK







SHANGRI LA


1

OH
ICH HABE
DIE ZEIT VERLOREN
AN
DAS STOCHERN
IM
NEBEL
IM FREMDEN
REICH
MEINES ICH
BIN
ICH ZEUGE NUR
NICHT
MEHR DIE TAT

2

IST DIE WELT
IN UNS
NICHT
SO
UNWAHR WAHR
WIE
JEDE SONST?
VERLIEREN
WIR DORT
NUR EINE ZEIT
UND
HIER
UNSERE
SEELE?

3

ALLES
WAS UNS
WIDERFÄHRT
BERÜHRT
DOCH
NUR
DIE SINNE
EGAL SCHON
WELCHE
WELT
MEINE SEELE
IST
ENDLOS
UNBERÜHRT



16 / 12. 01
IK







NILDELTA



SIEHST
DU…

AUF
KNIEN
VERSUNKEN
INS SPIEL
FREMDER SCHATTEN
AM WASSER
DER ERSTARRTE BLICK
GEHT IN
DIE BINSEN

DARUNTER SCHARREN
DIE SOHLEN
EWIGER WANDERSCHAFT
IM SCHLAMMIGEN
UFERSAND
EIN HAUCH
NUR
WEHT
IN ETAPPEN

URALTE
BARKEN
TREIBEN ABWÄRTS
IM FLUSS
UND SCHWIMMEN
DOCH
GEGEN DEN STROM
IN EINE
ANDERE WELT

…MEINE
WELT?



03 / 01. 02
IK







SALZIGER TAU


SIE LIEGT
DA:
AN MEINER
BRUST

NUR EIN HERZSCHLAG
ENTFERNT:
UNSERE KÖRPER
VIBRIEREN
ALS EIN
BEBEN

DAS ERSCHÜTTERN
VERKLINGT:
DIE WELLE IN MIR
LÄUFT NUN
ZURÜCK
ZU DIR

UNTER TAUENDER
WÄRME:
ZITTERN ERSTIRBT
IN
EINEM
ATEMZUG

GLITZERN VON
TAU:
SCHMILZT
DEN SCHEIN
DER GESCHLOSSENEN
AUGEN

SIE LIEGT
DA:
IN MEINEM
VERTRAUEN



10 / 01. 02
IK







SUCHE MICH



DIE TRAURIGE
SEELE
IST NICHT BEFRIEDET

UND
ZÜNDET
IN INNERER TIEFE
EIN LICHT:

DENN
IHR VERSTAND
WURDE
BESTOHLEN



12 / 01. 02
IK







DER CLOWN
IST TOT

VERGILBTE SCHMINKE
LÄUFT
IN DÜNNEN
BAHNEN
DAVON

SEIN LÄCHELN
SCHILFERT
IN
SPRÖDEN PARTIKELN
VOM
ERFRORENEN
MASKENGESICHT

LASST
UNS TRINKEN UND
TANZEN
AUF SEINEM
MODERNDEN
LEIB

EINE TRAURIGE
GESTALT
GING DAHIN



16 / 01. 01
IK







ENDLOS



DIE GEGOSSENE
WAND
AUS FRAGEN
IN DIE TIEFEN
DER ZEIT
GESTAPELT

DIE SILBERNEN WEGE
DRUM
HERUM
KANN NUR GEHEN
WER
AUS DEM GLÄNZENDEN
STAHL
ANTWORTEN
ZU SCHMELZEN
VERMAG

ATEMLOS HASTEND
AUF DEM PFAD
MEINES LEBENS



24 / 01. 02
IK







WOHIN



FÜRCHTE
DICH
VOR DEM TAGESLICHT
SEINEM SCHEIN
SEINER HELLE
DEM WEISS

SCHÜTZE
MICH
IN DER NACHT
VORM DUNKEL
DER STILLE
DEM NICHTS

UND FUNKELN DIE STERNE
MISCHEN SICH
IN DUNKLER FURCHT
TAGE
MIT NÄCHTEN
ZU TAGHELLEN ÄNGSTEN



24 / 01. 02
IK







HERZBRUCH



KANNST DU DEN
RISS
FÜHLEN
DIE SCHARTIGEN RÄNDER
FASERN AUS HOLZ

SPÜRST DU DEN
BRUCH
IM KLANG
KLIRRENDER STIMMEN

TROPFEN
VERSICKERN IM SPALT
ZU SCHLÄGEN
AUS SCHWARZ

DER PULS ERSCHLÄGT
DIE LEERE
EINES GEBORSTENEN
KLANGS



24 / 01. 02
IK







WO ICH STEHE



ALLES WAS
DANACH KOMMT
ZÄHLT BEREITS NICHT MEHR
WIRD
VERGANGES SEIN

UND ALLES WAS
WAR
IST
DER ZUKUNFT
SCHEIN

DOCH
DAS JETZT
ÜBERBRÜCKT
IRGENDWANN
ALLES
NIRGENDWO



24 / 01. 02
IK







FEDERWEISS


RITT AUF WEISSEN SCHWÄNEN
IM WEHEN DER SPHINX
DURCH
MEIN ERBLAUENDES HAAR


13 / 10. 01
IK







AUF MEINER HAUT



FÄHRT EIN HAUCH
DURCH
MEINE BAUSCHENDEN
HAARE

REITE ICH AUS
 DIE BÖEN
IN GRASGRÜNEN
WIESEN

WERDEN
MEINE SEIDENEN KLEIDER
SAFRAN UND ROTE
SEGEL

VERWEHE ICH
GLÜCKLICH
AM
FELDE



26 / 01. 02
IK





 UNPOETISCH - GANZ UND GAR



AM SCHLUSS
VOR DEM TODE ZU STEHEN
UND NICHTS ZU WISSEN
HIESSE
ICH BIN UM DAS LEBEN
BESCHISSEN



08 / 11. 01
IK






EIN VOGEL...


IST NAH
PSSST...

EIN FLÜGELSCHLAG
SCHNEIDET DEN WIND
AN DER
SCHEIDE
VON ABEND
UND
MORGENGRAUEN

WIEGE IN FEINER
SEHNSUCHT
TRUNKEN VERSCHWOMMEN
INS MORGEN
ZUM RAND
DER UNNAHEN
FERNE

UNERREICHBAR
PSSST...



25 / 11. 01
IK



*



INGO KARWATH

ORCHIDEENTOR - GEDICHTBAND (IK 2002)

ALLE RECHTE VORBEHALTEN


 

Vogel1